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Neue Kinotalente: Das US-amerikanische Sundance-Festival zeigt sein Kurzfilmprogramm inzwischen online.

Von Sofia Glasl

In der verschneiten Stadt Park City im US-Bundesstaat Utah erinnern nur noch die Namen der Cafés und Hotels daran, dass der Ort einst eine Silber- und Goldgräberstadt war. Heute werden hier vor allem Filme gefördert, denn jedes Jahr im Januar ist die Stadt in den Rocky Mountains Gastgeber des Sundance-Filmfestivals. 1981 übernahm Robert Redford die winzige Veranstaltung und machte sie zur wichtigsten Plattform fürs amerikanische Independent-Kino und den US-Nachwuchs. Seit vergangenem Donnerstag strömt die amerikanische Filmbranche wieder aus dem warmen Hollywood ins kalte Park City, um die neuesten Talente zu entdecken.

Besonders Kurzfilme spielen eine wichtige Rolle, denn diese sind wie Visitenkarten für junge Regietalente, Empfehlungsschreiben an Geldgeber und Verleiher. Damien Chazelle zum Beispiel, der gerade mit seinem Musical "La La Land" weltweit die Kinokassen stürmt, hat sich von hier aus nach Hollywood katapultiert. 2013 gewann er mit dem Kurzfilm "Whiplash" den Preis der Jury auf dem Sundance Filmfestival, woraufhin sich Produzenten fanden, die von seinem Werk so beeindruckt waren, dass sie ihm die Möglichkeit gaben, den Stoff als Langfilm zu realisieren.

Bisher wurden jedoch auch preisgekörnte Kurzfilme abseits des Festivals nicht öffentlich zugänglich gemacht. Und in den Kinos spielen sie als Vorfilme schon lange keine Rolle mehr. Deshalb wurde die Internetplattform "Short of the Week" ( www.shortoftheweek.com) ins Leben gerufen. Die Seite ist eine Mischung aus Streamingdienst und Festival. Regisseure können seit 2007 ihre Werke einreichen und Feedbackgespräche arrangieren. Die Betreiber sind selbst Filmemacher und Programmer von wichtigen Independent-Festivals und verstehen ihre Seite nicht nur als Abspielplattform sondern als kuratierte Talentwerkstatt. Der Fokus liegt auf innovativen Independent-Produktionen und der Nachwuchsförderung. Hier finden sich durch alle Genres und Gattungen narrative und experimentelle Filme von zwei bis 45 Minuten Länge. Auf der Startseite wird der jeweilige Kurzfilm der Woche angekündigt und besprochen, oft sind auch Interviews mit den Regisseuren beigefügt. Ältere Filme können über eine Suchfunktion oder nach Genre- und Themenstichworten recherchiert werden. Seit einigen Jahren stellt die Seite auch vorab ausgewählte Kurzfilme aus dem Sundance-Programm online. Web-Serien wie "Drunk History" von Derek Waters nahmen hier ihren Anfang.

Die erste Episode der Doku-Fiction-Persiflage wurde noch vor ihrer Sundance-Premiere online zur Verfügung gestellt und später für die Comedy-Website "Funny or Die" zur Serie ausgebaut. Dieses Jahr ist ein dokumentarischer Essay von "Citizen Four"-Regisseurin Laura Poitras der prominenteste Beitrag in der Vorabauswahl. Bilder des New Yorker Hochhauses an der 33 Thomas Street, einem fensterlosen Überwachungsbunker der NSA, werden zu rezitierten Passagen aus NSA-Handbüchern und Reiseanweisungen geschnitten und erzeugen eine unheimliche Dissonanz zwischen vermeintlich unauffälligen Kamerafahrten durch New York und den Übergriffen des Geheimdienstes auf Persönlichkeitsrechte.

Der Brite Shola Amoo konfrontiert in "Dear Mr. Shakespeare" den Mohren aus Othello mit einer glühenden Rede der Künstlerin Phoebe Boswell für Diversität und Gleichberechtigung. Und ein dreiminütiger Animationsfilm über die Entstehungsgeschichte des Nirvana-Songs "Smells Like Teen Spirit" von Drew Christie ist wohl einer der witzigsten Beiträge im gesamten Sundance-Programm, inklusive der Langfilme. Konkurrenz bekommen die Filmemacher unter anderem vom letztjährigen Gewinner des Grand Jury Prize, Jim Cummings, der nach seiner tragikomischen Springsteen-Beerdigungsperformance "Thunder Road" mit "The Robbery" wieder im Kurzfilmsegment vertreten ist. Schauspielerin Kristen Stewart präsentiert außerdem ihr experimentelles Regiedebüt "Come Swim". Short of the Week zeigt, dass der Kurzfilmmarkt keineswegs das ungeliebte Stiefkind der Filmindustrie sein muss, sondern eine Talentschmiede, die es weiter zu fördern gilt.

Die Kurzfilme des Sundance-Festivals sind unter shortoftheweek.com kostenlos abrufbar.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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