Mediaplayer:Mutierte Rennmaschinen

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In seinem Frühwerk "Fast Company" begibt sich der Regisseur David Cronenberg in ein Rennen und feiert den PS-Rausch.

Von Philipp Bovermann

Mitunter das Schlimmste, was man Künstlern antun kann, ist, sie immer nur als solche zu behandeln. David Cronenberg zum Beispiel, der Regisseur von Filmen wie "Die Fliege" oder "A History of Violence". Für gewöhnlich wird er unter dem Label "Body Horror" in den Arthouse-Bereich gesteckt und dort andächtig für gut befunden, wo er keinen Schaden anrichten kann.

Mit "Fast Company" von 1979, der nun erstmals in Deutschland als Heimvideo erscheint, verhält es sich genau anders herum. Der Film hat damals zum Kinostart den herzerwärmend markigen Untertitel "Vollgasrausch im Grenzbereich" bekommen, um dann in der "Exploitation"-Kiste vergessen zu werden. Es fallen Sätze wie: "Wir werden diese Karre fahren. Und du wirst uns nicht dabei aufhalten." Fäuste fliegen, Reifen qualmen. Am Ende der Straße steht eine Blondine mit schönen Brüsten und schwenkt für den Sieger fröhlich die Fahne.

Thema des Films sind die "Drag Racing" genannten Beschleunigungsrennen. Die Fahrer sitzen auf Motoren, die eine schnurgerade Viertelmeile lang bis zu 10 000 PS entwickeln, angetrieben von einem explosiven Gemisch aus Nitromethan und Methanol. Sie haben nur ein Lenkrad zum Festhalten und einen Hauch pfeilförmiger Kohlefaser-Karosserie um sich herum. Die 100 km/h knacken sie, noch bevor die Hinterachse die Startlinie überquert hat. Auf den ersten Blick passt das ganz gut zu Cronenberg. Er liebt die Extreme, die Mutationen. Maschinen erwachen zum Leben, entwickeln pulsierende Körperöffnungen. In seinem "Crash" zum Beispiel fährt ein riesiger Lincoln-Straßenkreuzer durch eine Waschanlage, die Schwammlappen lecken gierig über das schmutzige Metall. Vielleicht eine der verstörendsten Sex-Szenen, die je gedreht wurden.

Auch in "Fast Company" gibt es jede Menge Sex, es ist Gute-Laune-Sex, von dem alle etwas haben, bei dem niemand erniedrigt wird. Ständig scheint die Sonne, und man ist sowieso immer irgendwie leicht bekleidet, außer die Jungs, wenn sie auf ihren Motoren reiten. Der große Held des Rennstalls heißt passenderweise Lonnie "Lucky Man" Johnson, gespielt von William Smith, der ein bisschen aussieht wie Kurt Russell, nur auf eine kalifornische Art gutmütiger. Sein geldgieriger Chef will ihn absägen. Für den Boss zählt nicht, die Rennen zu gewinnen, sondern allein die PR für die Motoröl-Marke, die hinter dem Team steht. Der "Lucky Man" und sein jüngerer Partner Billy "the Kid" Brocker hingegen pfeifen auf Marketing-Effekte. Sie wollen einfach nur ihren Spaß haben und Rennen fahren.

Der Konflikt des Films spiegelt seine rebellische Stellung in Cronenbergs Filmografie wieder. Es liest sich mitunter recht putzig, wie sich Filmkritiker bemüht haben, "Fast Company" dort hineinzudeuten. Das "Lexikon des internationalen Films" gibt sich geschlagen und kommt zu dem Schluss: "Niveauloser Rennfahrerfilm des ansonsten ambitionierten Regisseurs." Dabei ist "Fast Company" handwerklich gut gemacht. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß. Vor allem der Regisseur, der hier ungeniert seinem Hobby frönt. Cronenberg ist PS-Narr, er fährt einen getunten Porsche und hat wirklich Ahnung vom "Drag Racing", das spürt man. Insbesondere, wenn er die Maschinen filmt - beim "Burnout" vor dem Start, um die Reifen aufzuwärmen, beim Einnehmen der Startposition, dem sogenannten "Staging" - entwickelt der Film eine dokumentarische Qualität.

In ihr liegt, heute sogar mehr als damals, natürlich auch etwas Befremdliches: Die "Top Fuels" schlucken etwa fünf Liter Kraftstoff - pro Sekunde. Sie zittern und beben selbst im Leerlauf noch unter der Gewalt der Explosionen in ihrem Inneren. Cronenberg hat einmal geschrieben, man müsse nur in den Motor blicken, um die Kultur, die ein Auto hervorgebracht hat, zu verstehen. Seiner onkelhaft guten Laune, in der er uns zum Rennen mitnimmt, tut das keinen Abbruch. "Fast Company" ist ein Sonntagsfilm. Aber es ist sicherlich ein gutes Zeichen, wenn Künstler auch dann nicht dumm werden, wenn sie mal nicht versuchen, schlau zu sein.

Fast Company ist als DVD und Blu-Ray erhältlich (ab 7,99 Euro).

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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