Mediaplayer:Einladung zur Geisterstunde

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Natalie Portman und Lily-Rose Depp spielen im Mystery-Drama "Das Geheimnis der zwei Schwestern" Frauen, die die Zukunft vorhersagen.

Von Philipp Stadelmaier

Die Schauspielerinnen Natalie Portman und Lily-Rose Depp stehen in Leben und Karriere an sehr unterschiedlichen Stellen. Portman ist 36, Oscargewinnerin und eine wichtige Stimme in Hollywoods "Time's Up"-Bewegung, die gegen Gewalt gegen Frauen kämpft. Lily-Rose hingegen ist gerade neunzehn geworden und bislang vor allem als Chanel-Model bekannt sowie als Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis.

Die Schwestern Laura (Natalie Portman, links) und Kate (Lily-Rose Depp). (Foto: Koch Films)

Im Film "Das Geheimnis der zwei Schwestern" der französischen Regisseurin Rebecca Zlotowski sind die Rollen zwischen den beiden Frauen ähnlich verteilt wie im wirklichen Leben. Sie passen trotzdem gut zusammen. Sie spielen die amerikanischen Barlow Sisters, die vor dem Zweiten Weltkrieg nach Paris kommen, um dort Séancen abzuhalten, bei denen sie die Lebenden in Kontakt mit den Toten bringen. Die ältere Schwester, Laura (Portman), kümmert sich ums Geld und macht die Verträge mit Cabarets und Privatkunden. Liebevoll kümmert sie sich auch um die Jüngere (Depp), die noch ein halbes Kind ist, aber über die eigentlichen medialen Kräfte verfügt.

Das "Geheimnis" ist auch ein Film über diese zwei Schauspielerinnen, nicht zuletzt, weil sie im Film bald selbst zu welchen werden. Ein jüdisch-französischer Filmproduzent wird auf sie aufmerksam und beginnt, mit ihnen Filme zu drehen. Aber Korben, der Produzent, verfolgt noch andere Absichten. Er ist besessen von der Idee, die räumliche Präsenz der Geister zu filmen, die durch die medialen Fähigkeiten der Schwestern herbeigelockt werden. Man schlägt ihm vor, die gewünschten paranormalen Effekte mit Spezialeffekten zu erzeugen. Aber er bleibt stur und will "echte" Geister aufnehmen, die Spuren einer unsichtbaren Präsenz.

Diese Versuche bleiben natürlich erfolglos. Aber gleichzeitig mehren sich in diesen Vorkriegsjahren die Zeichen faschistischer Gewalt. Die Nationalhymne wird immer lauter gegrölt, irgendwann ist auf Lauras Garderobenspiegel "Judennutte" zu lesen. Ein immer offener werdender Antisemitismus ist längst auf dem Vormarsch. Zwar ist die jüngere Schwester stark darin, die Toten aus der Vergangenheit zurückzuholen. Aber was die Zukunft betrifft, so ist es die Ältere, Laura, die klarsieht: Die Dinge werden immer schlimmer.

Zlotowski zeigt, dass die Geister im Kino nicht nur die Toten der Vergangenheit, sondern auch die Vorboten der Zukunft sein können. Mit Spezialeffekten hat das nichts zu tun. Es sind die subtilen Zeichen einer Gewalt, die in der Gegenwart schon präsent, aber noch nicht ganz greifbar ist - die Geister der Opfer der Zukunft. Man könnte sie durchaus sehen, wenn man wollte. Weswegen Laura auch irgendwann beginnt, Korben zu warnen. Aber der weigert sich zu sehen, auch weil er sich das Ausmaß des künftigen Hasses und der künftigen Auslöschung noch nicht vorstellen kann. Das Kino wird bei Zlotowski zum Instrument, das vor den Katastrophen der Zukunft warnt.

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Man muss sich fragen, warum der schöne, mysteriöse Originaltitel des Films, "Planetarium", vom deutschen Verleih nicht einfach beibehalten wurde und warum der 2016 veröffentlichte Film erst mit zwei Jahren Verspätung und nur auf DVD herauskommt. Waren Portman und Depp nicht genug Starpower, um den Film anständig bewerben zu können? Hat sich am Ende doch die Angst durchgesetzt, der Film könnte zu intellektuell für ein breites Kinopublikum und besser in einer DVD-Nische aufgehoben sein?

Zumindest hat das Laserdisc-Format den Vorteil, dass man den Film mehrmals ansehen kann. Bis zutage tritt, was man beim ersten Mal ebenso verpasst hat wie die Figuren im Film. Man muss mindestens zweimal hinschauen, um an der Gegenwart die Vorzeichen der Zukunft abzulesen. Und dank der Schauspielerinnen fällt ein mehrfaches Anschauen sowieso nicht schwer. Aber aus Zlotowskis Film kann man auch für die heutige Welt lernen. Gerade im Europa von 2018, in dem überall Rassismus und Fremdenhass blühen, ist es höchste Zeit, zweimal hinzuschauen.

Das Geheimnis der zwei Schwestern ist auf DVD und Blu-ray erschienen sowie als Video on Demand erhältlich (Koch Films).

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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