Mediaplayer:Ein Cello für den Zombie

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Neu auf DVD: "The Walking Dead", das Original: "Die Rache des Toten" mit Boris Karloff. Außerdem: die gefeierte BBC-Serie "McMafia" über Gangster in London.

Von Fritz Göttler

(Foto: N/A)

Wie ein Geier ist die alte Frau über das Klavier gebeugt, hart schlägt sie die Tasten an und sammelt die Töne zu einer Melodie zusammen, sie lauert auf Erinnerungen, die damit verknüpft sind. Beethoven. Die Mondscheinsonate. Seit Jahrzehnten ist sie in einer Anstalt festgesetzt, zu Unrecht. Ein junger Priester hat sie beschuldigt, sie sei nymphomanisch, ihre Tante, bei der sie wohnte, hat die böswillige Anschuldigung bestätigt. So einfach war das Anfang der Vierziger in Irland, mit seinen Hierarchien, einer verklemmten Moral, religiösen Konflikten. Erst vor wenigen Tagen hat dort ein Volksentscheid die Abschaffung des Abtreibungsverbots gefordert. Der junge Priester war heftig verliebt in Rose, aber sie hatte einen anderen. So wie du auf einen Mann blickst, hat er sie gemahnt, das darf eine Frau nur, wenn es ihr eigener Mann ist. Mit "Ein verborgenes Leben / The Secret Scripture" nach dem Roman von Sebastian Barry kehrt Jim Sheridan in seine Heimat Irland zurück, wo er unter anderem drei starke Filme mit Daniel Day-Lewis gedreht hatte. Vanessa Redgrave ist die greise, gebrochene Rose, mit Elektroschocks hat man ihre Identität zerstört. Der Mann, den sie wirklich liebte, ein junger Pilot, der für die Briten gegen die Nazis kämpfte, wurde getötet. Ihr Kind sollte ihr genommen und zur Adoption freigegeben werden. Rooney Mara ist die junge Rose, fragil und kämpferisch. Sie überschreibt ihre Bibel in den Jahren in der Anstalt mit ihrer eigenen Geschichte, aus dem Buch Hiob wird das Buch Rose. Im Melodram ist das Happy End so unwahrscheinlich wie in keinem anderen Genre, und Sheridan ist der absolute Melodramatiker. (Universum/Wild Bunch)

Noch ein falsches Zeugnis, ein Fehlurteil: Boris Karloff als "The Walking Dead / Die Rache des Toten", 1936, von Michael Curtiz (Schröder Media). Gangster machen ihn zum Sündenbock für einen ihrer Morde, er wird hingerichtet, kehrt als wandelnder Toter zurück, rachsüchtig. Die Wissenschaftler um ihn sind ganz scharf auf die Nachtoderlebnisse, von denen er berichten soll. Auf dem Weg zur Hinrichtung hätte er gern, dass ihn ein Mithäftling auf dem Cello begleitet. Das wirklich Erschreckende an Karloff ist seine unergründliche Traurigkeit.

(Foto: N/A)

Gangster in London, heute: "Mc Mafia", eine BBC-Serie, für die Hossein Amini die Drehbücher schrieb, Regie James Watkins. Familienfehden in der international weitverzweigten Russenmafia, zwischen London und Moskau, Tel Aviv und Prag. Drogen sind das wichtigste neue Geschäft, und das meiste Geld lässt sich damit machen, dass man die Einfuhr- und Durchschleuseströme des Stoffs kontrolliert. Die elegante Diskretion der oberen Bankeretagen wird immer wieder durchbrochen durch die exzessive Knüppelbrutalität auf den Straßen. Zu den Familien gehören unter anderen David Strathairn und Merab Ninidze und James Norton, der lernen muss, dass man als Topbanker auch mal die Mausklicks lassen und zur Waffe greifen muss. (Polyband)

Ein Bankräuber in Ungarn, der "Whiskey Bandit", im gleichnamigen Film von Nimrod Antal. Er ist ein Kind des rumänischen Ceaușescu-Regimes, war Soldat, im Gefängnis, ging nach Ungarn, spielte in einer Eishockeymannschaft. Seine Überfälle gestaltet er mit einer schönen Mischung aus Professionalismus und Naivität. Wie so oft schafft die bürgerliche Gesellschaft sich ihre Kriminellen selbst. Als der Junge bei den Eltern seiner Freundin zum Essen eingeladen ist, machen die ihm klar, dass er nicht hierher gehört. (Koch Medien)

Gefährliche Gutbürgerlichkeit, die Risiken, die eine Cinderella heute eingeht: "Wir töten Stella" von Julian Roman Pölsler, nach der Erzählung von Marlen Haushofer, von der er schon "Die Wand" verfilmte. Ein Mädchen wird für ein paar Monate in einer befreundeten Familie untergebracht, die "Mutter" ist Martina Gedeck, selbstquälerisch wie nie zuvor, der "Vater" ist Matthias Brandt, der sich abends hinter seiner Financial Times verkriecht. Es ist ein durchaus kluger Kopf, der lüstern über den Rand lugt und seine Chancen tariert. Die tolle Mala Emde ist Stella, die demnächst am Steuer eines Campingbusses den neuen Film von Hans Weingartner durchqueren wird. (Eye See Movies)

(Foto: N/A)

Bürgerliches Selbstverständnis in der BRD, Ende der Fünfziger, in zwei Unterhaltungsfilmen von Hans Grimm ("Der schwarze Blitz") und Hans Quest ("Die große Chance"). Die Murnau-Stiftung hat sie restauriert. Man kann sie heute wie Dokus anschauen, diese Mischung aus neureicher Borniertheit und kleinbürgerlicher Lebensklugheit, in leuchtenden Farben. Die reichen Kids fahren Sportwagen, Walter Giller jobbt an einer Tankstelle und lässt sich von Nadia Tiller ein Autogramm geben. Abends spielt er mit seinen Freunden in einer Jazzband. Auch der junge Freddy Quinn gehört dazu. (Concorde)

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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