Lyrik:Mit den Fingern geschnippt

Lesezeit: 3 min

Raoul Schrott huldigt in seinem neuen Gedichtband der "Kunst an nichts zu glauben".

Von Burkhard Müller

Raoul Schrott hat eine aufwendige Rahmenerzählung verwendet, um sein neues Buch einzuführen: Er habe in einer Bibliothek in Ravenna eine dünne Schrift mit dem Titel "De Arte Nihil Credendi" entdeckt, über "Die Kunst an nichts zu glauben". Der Autor, der 24-jährige Geoffroy Vallée, sei als Ketzer angeklagt und 1574 in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Aber Auszüge dieser geheimnisumwitterten Schrift eines atheistischen Freigeists habe er, Schrott, sich erlaubt zu kopieren und samt Titel für sein eigenes Werk zu übernehmen. Schrott braucht die romantische Herausgeberfiktion, um die eigentümliche Form seines Buchs zu begründen: Jedem seiner eigenen Gedichte geht eine meist kürzere Passage dieses vorgeblich aus dem Lateinischen übersetzten Traktats voraus. So will er zwei Sicht- und Sprechweisen zusammenführen, die in seinen Augen erst gemeinsam den vollen Umkreis des melancholischen Weltbilds ausschreiten, die lyrische und die philosophische.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: