Logistik:Bis zur letzten Minute

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Mit Handschuhen angefasst: Ein Mitarbeiter hängt Jewad Selims "Untitled". (Foto: Johannes Simon)

Hinter jeder Schau steckt enormer organisatorischer Aufwand. Leihgeber müssen angefragt und überzeugt, der Transport und die Versicherung der Kunstwerke geregelt werden. Überraschungen bleiben dabei manchmal nicht aus.

Von Sebastian Niemetz

Es herrscht Hektik im Haus der Kunst. Die Eröffnung der Ausstellung "Postwar" steht ins Haus und es sind längst noch nicht alle Werke angekommen. Mitarbeiter des Hauses eilen durch die Gänge und rufen sich Anweisungen zu. Über Funkgeräte wird die Durchsage gemacht: Vor dem Westflügel des Gebäudes wartet ein Lastwagen darauf, entladen zu werden - die nächsten Leihgaben sind angekommen.

Neben dem LKW steht, umringt von Männern der Transportfirma, die Leiterin für die Ausstellungsorganisation, Tina Köhler. Die kleine Frau hat alles unter Kontrolle. Nach mehr als dreißig Jahren im Haus der Kunst fehlt es ihr nicht an der nötigen Erfahrung.

Sie schüttelt Hände, spricht mit den Spediteuren und Kurieren und gibt Anweisungen, wie die Kisten ausgeladen werden sollen. Währenddessen notiert die Registrarin des Museums, Cassendre Schmid, um welche Leihgaben es sich handelt und ob sie auch sachgemäß transportiert worden sind. Dann hievt eine Handvoll Männer, ganz behutsam, die erste Kiste vom Transporter. Wegen der beachtlichen Größe der Kiste wird es eineinhalb Stunden dauern, bis sie sicher an ihrem zugewiesenen Platz im Museum steht.

Mehr als drei Jahre dauert die Vorbereitung der Schau

Welcher Aufwand hinter einer Kunstausstellung dieser Art steckt, das werden die meisten Besucher wohl nie wissen. Allein für "Postwar" erstreckt sich die Organisation über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren - die Ideenentwicklung nicht miteingerechnet. Mit mehr als 380 Werken von 180 Künstlerinnen und Künstlern aus über 50 Ländern stellt die Ausstellung eine hohe organisatorische Anforderung dar. Es ist die bislang geografisch und inhaltlich umfassendste Schau, die das Haus je vorbereitet hat. "Von der Logistik her gesehen ist der Aufwand mit vergangenen Projekten kaum vergleichbar", sagt Ulrich Wilmes, Hauptkurator des Hauses. "Uns war von Anfang an klar, dass das Thema des Projekts überwältigend groß ist. Wir wollen eine Perspektive einnehmen, die den gesamten Globus - vom Pazifik bis zum Atlantik - umspannt."

Um dafür die richtigen Leihgaben zu finden, kommt es besonders auf die Netzwerke und Verhandlungsfähigkeiten von Wilmes und seinen Kollegen an. Sie müssen Museen und private Sammler davon überzeugen, dem Haus ihre Werke pro bono zu verleihen. Parallel dazu erstellt die Finanzabteilung einen Budgetplan und beauftragt ein auf Kunstlogistik spezialisiertes Unternehmen mit Verpackung, Transport und Versicherung der gesamten Ausstellung.

Bis die ersten Werke etwa einen Monat vor Beginn der Ausstellung ankommen, müssen viele Hürden überwunden werden. "In manchen Ländern kann zum Beispiel die Kommunikation mit dem Zoll problematisch sein, einfach weil es dort an nötigen Ressourcen und Wissen über den richtigen Umgang mit Kunst fehlt", berichtet Köhler. "Da kann es schon passieren, dass Lieferungen sehr lange in einer Behörde hängen bleiben." Im schlimmsten Fall würden die Kisten geöffnet, was zu Schäden an den Kunstwerken führen könne. Es sei in der Vergangenheit auch schon vorgekommen, dass Gemälde in einem Lastwagen geliefert wurden, der davor Fisch transportiert habe, erzählt die Leiterin der Ausstellungsorganisation. "Aber nachdem wir die Kisten entlüftet haben, hat sich das Problem doch noch buchstäblich in Luft aufgelöst. Es ist zum Glück kein Schaden entstanden." Sind die Ausstellungsobjekte sicher im Museum angekommen, werden sie 24 Stunden akklimatisiert und innerhalb von drei Wochen installiert.

Köhlers Handy klingelt wieder. Die Nachricht: Der nächste Lastwagen steht in einer Stunde vor der Tür. Mehr als dreißig Leihgaben sollen an diesem Tag eintreffen, die meisten per Luftfracht aus San Francisco und Houston. Die letzte Kiste wird erst mitten in der Nacht endgültig im Haus der Kunst stehen. Anstrengende Tage für das Team der Ausstellungsorganisation bis zur Vernissage.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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