Literatur:Schimpf und Schande

Manfred Mittermayers Bernhard-Biografie

Von Christian Jooß-Bernau

Mit Thomas Bernhard im freundschaftlichen Gespräch über seine Literatur zu reden - war schwierig. "Bei ihm war alles entweder überhöht oder es war indirekt, sehr oft verbrämt durch die bei ihm sehr hohe Kunst des Blödelns", erzählt rückblickend Alexander Üxküll. "Thomas Bernhard - Eine Biografie" ist das mehr als 400 Seiten starke Unterfangen von Manfred Mittermayer, einem näherzukommen, der sich zur literarischen Figur formte. Ob es das Ehepaar Lampersberger war, das gegen "Holzfällen" vorging, oder der Salzburger Stadtpfarrer Franz Wesenauer, der noch vor dem Erscheinen von "Die Ursache" Anzeige wegen Verleumdung und Ehrbeleidigung erstattete - Bernhard gestaltete Texte, indem er Menschen und Leben verwurstete, und das kalkulierte Missverständnis war Teil der Strategie.

Mittermayer, Leiter des Salzburger Literaturarchivs und langjähriger Bernhard-Forscher, schafft die klare Trennung von Leben und Werk. Beeindruckend ist das Quellenmaterial. Wissenschaftlich sauber mit Fußnotenverweisen zitiert, entsteht das Bild des ungewollten Kindes, das im Großvater und glücklosen Schriftsteller Johannes Freumbichler eine Lebensleitfigur findet. So wird hinter dem Meister der Beleidigung und seiner Schimpfperformance einer sichtbar, dem der menschliche Umgang nicht leicht fällt. Eine Preziose wie der Artikel "Der Advent wird eingeblasen" aus Bernhards kurzer journalistischer Frühphase lässt kurz in die Möglichkeit eines anderen Lebens blicken. Es findet sich darin der Satz: "Mehr denn je ist heute das Brauchtum in unserem schönen Lande notwendig."

Thomas-Bernhard-Abend mit Manfred Mittermayer, Dieter Dorn und Stefan Hunstein, Dienstag, 23. Feb., 20 Uhr, Literaturhaus (ausverkauft)

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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