Literatur:Schbargl forever

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Anton G. Leitners Jahresschrift widmet sich dem Essen und Trinken

Von Sabine reithmaier

Für jeden etwas - dieses Motto gilt auch für Gedichtanthologien. Dies um so mehr, wenn es sich um Lyrik handelt, die sich ausschließlich mit Essen und Trinken beschäftigt. "Götterspeise & Satansbraten" hat Anton G. Leitner seine diesjährige Jahresschrift "Das Gedicht" genannt und gemeinsam mit Kerstin Hensel einen Band gezaubert, der sich des Themas völlig unverkrampft annimmt.

Der Weßlinger Verleger und Lyriker Leitner gibt sein Magazin alljährlich seit 23 Jahren heraus. Allein diese Kontinuität kann nicht genug gewürdigt werden. Dichterkollege Matthias Politycki rühmte die Zeitschrift schon vor Jahren als das "zentrale Organ der Realpoesie". Das ist sie bis heute auch geblieben. Der Großteil der 111 Gedichte sucht die direkte Ansprache, viele Verse sind prosanah, obwohl manche Autoren auch ungehemmt reimen. Aber weil es trotzdem nicht einfach ist, Essen und Trinken zu bedichten, ohne banal zu werden, nähern sich die meisten Dichter dem Thema mit Ironie und Witz, egal ob es sich um Rezepte, das Kochen selbst oder das Speisen in Lokalen dreht. Das Kaffeehaus scheint übrigens immer noch ein sehr beliebter Ort für Schriftsteller zu sein.

Um nicht betriebsblind zu werden, sucht sich Leitner für jede Ausgabe einen Mitherausgeber, dieses Mal eben Kerstin Hensel, selbst Autorin und Professorin für "Deutsche Verssprache und Versgeschichte" in Berlin. Sie denkt in einem kleinen Essay auch über den Einfluss des Zeitgeistes auf Ess- und Trink-Lyrik nach. Letzterer ist übrigens nicht zu überlesen, auch wenn es nicht immer so überdeutlich ist wie im "Veganer unser"(Matthias Kröner).

Ernährung sei aber, schreibt Leitner in seinem Vorwort, ein grundlegendes Motiv der Literatur. Und ein brisantes dazu, wenn man an die Versorgung von Flüchtlingen denkt. Sehr knapp kommentiert Gerhard Rühm die Welterernährungslage: "schwarzer hunger / roter hunger/ gelber hunger / weisser hunger // silberne sättigung / goldene schlemmerei." Hans Wap philosophiert dagegen über den Krieg der Gourmets gegen den Gourmand, " eingezeichnet in die Stabskarte von Michelin" und fühlt sich eingeschüchtert durch " gutgezielte Schüsse mit Champagnerkorken aus linkshändig gedrehten Flaschen."

Makaber mutet dagegen Helmut Kraussers kurzes Gedicht "Sein erstes Sushi": "großvoder zählt von honger und dorscht / auf bronntwoin und bockworscht" // doch olls wos gob in stolingrod / wor tüfgefrorner komerod." Dass Mundart den Essgedichten eine ganz eigene Würze verleiht, lässt sich auch an Fitzgerald Kusz wunderbaren "schbargl forever" feststellen. Natürlich kommen auch "die Früchte zu Geistern gebrannt" nicht zu kurz, denen ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Wer danach immer noch nicht satt ist, findet Nachschub im Online-Forum DasGedichtBlog.de.

Kerstin Hensel und Anton G. Leitner (Hg.): Das Gedicht. Götterspeise & Satansbraten. Leitner-Verlag, 144 S., 12,50 Euro

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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