Literatur:Lügen lernen

Manuel Jorge Marmelo liest aus seinem Roman

Von Hannah Vogel

Ein verzweigtes Netz farbiger Linien strukturiert seinen Alltag. Stetiger Begleiter auf seinen Fahrten in Portos öffentlichen Verkehrsmitteln ist ein 1200 Seiten starkes Buch ohne Inhalt. Durch dieses hofft der namenlose Protagonist aus Manuel Jorge Marmelos Roman "Eine tausendmal wiederholte Lüge" (A1 Verlag), berühmt zu werden. Mit gerade 36 Jahren ist der überarbeitete Finanzbeamte Frühpensionär, hätte also genug Zeit zu schreiben. Dafür fehlen ihm jedoch Mut und Geduld. Deshalb lässt er eine Sammlung wahllos aus dem Internet zusammengestellter Texte binden. Auf ihr prangt der Titel "Eroberte Stadt". Darin lesend, hofft er, von Mitreisenden auf das Werk angesprochen zu werden. Tatsächlich findet der Frühpensionär tagtäglich sein Publikum in Bus und Bahn. Seine Erzählungen zu Autor und Inhalt von "Eroberte Stadt" variieren zwar, fügen sich jedoch zu einem perfekt gewebten Lügennetz. Autor des literarischen Meisterwerks sei ein ungarisch-jüdischer Schriftsteller namens Oskar Schidinski, der vor den Nazis quer durch Europa floh und dessen Buch bald in Vergessenheit geriet.

Fast Matrjoschka-artig verschachtelt der Portugiese Manuel Jorge Marmelos die Geschichten in seinem preisgekrönten Roman ineinander. So kurzweilig, wie die Fahrten mit dem Pensionär anmuten, ist "Eine tausendmal wiederholte Lüge" geschrieben. Aus dieser Parodie auf die Literaturlandschaft liest Manuel Jorge Marmelo am Donnerstag, 5. November, in den Räumen der Initiativgruppe. Berühmt wird der Schalk durch sein Expertenwissen zwar nicht, so viel sei verraten, allerdings bringt ihn sein Lügennetz auch nicht zu Fall.

Manuel Jorge Marmelo liest aus "Eine tausendmal wiederholte Lüge" , Donnerstag, 5. November, 19.30 Uhr, Initiativgruppe, Karlstraße 48 Rgb.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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