Literatur:Im Park der wohlgesetzten Worte

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Träumen unter Bäumen, das können alle Teilnehmer beim Literaturfest in markgräflicher Idylle an verschiedenen Veranstaltungsorten. (Foto: Daniel Karmann)

Lesen unter freiem Himmel: Beim 35. Erlanger Poetenfest sind in diesem Jahr 80 Literaten zu Gast

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Es gibt wahrscheinlich keine angenehmere Gelegenheit, sich einen Überblick über die Neuerscheinungen im kommenden Bücherherbst zu verschaffen, als das Erlanger Poetenfest. Mehr als 80 Autoren, Kritiker und Publizisten lesen und debattieren von diesem Donnerstag bis zum Sonntag in der fränkischen Universitätsstadt, die meisten Veranstaltungen sind kostenlos. Das muss den Erlangern erst mal einer nachmachen. Die Atmosphäre des Poetenfests ist sowieso unübertroffen und der Grund dafür, dass man sich heuer an dessen 35. Ausgabe freuen kann. Man sitzt oder liegt im Schlosspark, schlendert abends hinüber ins Barocktheater und bekommt wie nebenbei einen wesentlichen Teil der deutschsprachigen Neuerscheinungen geboten, keine zwei Monate vor Beginn der Frankfurter Buchmesse.

Was die Macher des Festivals offenbar noch nie richtig wollten: Literaten ein größeres Podium bieten, nur weil sie aus Franken stammen. Natürlich, Habib Bektas, der Stammwirt der Poeten aus der Erlanger Theaterstraße, durfte auf dem Festival schon mal zeigen, dass er nicht nur ein ausgezeichneter Gastgeber, sondern auch ein spannender Autor ist und zwischenzeitlich sogar Verleger war. Alles andere wäre aber auch ziemlich verkrampft gewesen. Und natürlich ist in den vergangenen Jahren immer wieder Nora Gomringer zu Gast gewesen in Erlangen. Auch das aber sollte einen nicht über Gebühr verwundern. Schließlich leitet sie seit fünf Jahren das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg, und wer ihr einmal bei der Arbeit zugesehen hat, der weiß, dass Gomringer ziemlich vieles ist, eines aber mit Sicherheit niemals: langweilig.

Man darf Literaturpreise gerne und mit Lust infrage stellen, womöglich muss man das sogar, Klagenfurt 2015 aber hatte so gesehen einen Wert. Wer Gomringer, die aktuelle Bachmann-Preisträgerin, künftig mit dem "lustig-aber-nicht-hinreichend-literarisch"-Stempel versieht, muss gut argumentieren können. Und ja, Gomringer wird auch diesmal nach Erlangen kommen. Am Sonntagnachmittag liest sie im Schlosspark ihren Klagenfurter Siegertext. Und sie wird, auch das gehört zum Prinzip Erlangen, danach auf einem Nebenpodium unter einem Baum ihrem Publikum Rede und Antwort stehen.

Der Zufall will es, dass Hermann Glaser etwa eine Stunde zuvor in der Orangerie sein Buch "Franken - Eine deutsche Literaturlandschaft. Epochen, Dichter, Werke" vorstellen wird. Man muss kein Prophet sein, um diesen knapp 600 Seiten eine Zukunft als Standardwerk vorauszusagen. Glaser spannt den Bogen von Wolfram von Eschenbach über Walther von der Vogelweide bis zum Handwerkerliteraten Hans Sachs, er behandelt die Romantiker Wackenroder und Tieck genauso wie den genialen Jean Paul. Und er gelangt über Hegel und Ludwig Feuerbach bis hin zu Jakob Wassermann, Hermann Kesten, Fitzgerald Kusz und Hans Magnus Enzensberger.

Auch Eugen Gomringer kommt natürlich vor, der bolivianische Schweizer aus Oberfranken, der sich bekanntlich nicht nur als Vater der Konkreten Poesie einen Namen gemacht hat, sondern auch als Vater von Nora Gomringer. Ihr hätte man sogar etwas mehr Raum im Werk gewünscht, sie wird lediglich erwähnt als eine der "wichtigsten Nachwuchstalente deutscher Sprache, die auch über die Poetry-Slam-Bewegung in Erscheinung" trat. Aber womöglich trägt Glaser das am Sonntag in Erlangen noch nach. Oder am Samstagabend, wenn er unter anderen mit Ursula März, Christiane Neudecker und dem Verleger Norbert Treuheit über "Franken, deine Schriftsteller. Eine flatternde, flirrende, wimmelnde Vielfalt" diskutiert.

Dann wird wohl auch der Name Ludwig Fels fallen, der in Wien lebende Koeppen-Preisträger aus Treuchtlingen. Sein 1981 erschienener Roman "Ein Unding der Liebe" ist eines der Bücher, die man nie wieder vergisst. Am Sonntag stellt er seinen Roman "Die Hottentottenwerft" vor. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Mehrzahl aller Lesungen und Debatten in Erlangen auch diesmal nichts, aber auch gar nichts mit Franken zu tun haben. Als da wären die Porträts von Alice Schwarzer, Sibylle Lewitscharoff und Robert Menasse. Und die Lesungen von Ulrich Peltzer, Valerie Fritsch, Alain Claude Sulzer, Nora Bossong, Anne Weber, Ralph Dutli und Raoul Schrott. Um nur einige zu nennen.

Erlanger Poetenfest , 27. bis 30. August, Programm, Infos und Karten online unter www.poetenfest-erlangen.de

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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