Literatur:Durst nach Erfolg

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Tee mag er lieber, aber fürs Foto bestellt er einen Cappuccino: Tom Hillenbrand hat zuletzt den Historienroman "Der Kaffeedieb" veröffentlicht. (Foto: Catherina Hess)

Tom Hillenbrand ist ein Schriftsteller mit ökonomischem Ehrgeiz

Von Thomas Jordan, München

Eigentlich trinkt er tagsüber ja keinen Kaffee. "Da werde ich zu zappelig", sagt der Münchner Autor Tom Hillenbrand mit Hamburger Akzent. Zehn Jahre lang war Hillenbrand Wirtschaftsjournalist beim Spiegel, bevor er 2010 den Neustart als Schriftsteller gewagt hat. Viel zu viel Kaffee habe er damals getrunken. "Der macht einen zu dem, was man heute ist: bitter und mit schwarzem Herzen."

Ein Schmunzeln huscht über Hillenbrands Gesicht, die erste Pointe sitzt. Der Wahlmünchner ist Medienprofi und liebt es, kurz und "knackich", wie er in seinem Tonfall sagen würde, auf den Punkt zu kommen. Zum Gespräch im Café Marais im Westend kommt er einem mit einer Tasse Grüntee in der Hand entgegen, und das, obwohl er gerade einen Roman über Kaffee geschrieben hat. Mit seinem jungenhaften Gesicht und den aufgestellten Stirnhaaren sieht der Krimiautor immer ein bisschen wie der Detektiv Tim aus den Tim-und-Struppi-Comics aus, nur mit schwarzen Haaren. Ähnlich wie der gewitzte Detektiv, den man nur im Laufschritt kennt, steht auch Hillenbrand ständig unter Strom, wie er selbst sagt. Immer auf der Suche nach der nächsten Idee. Gerade sitzt er am fünften Fall seiner Reihe um den Koch Xavier Kieffer, im Frühjahr 2017 starten die Dreharbeiten für die erste Verfilmung. Moritz Bleibtreu soll den leicht phlegmatischen Küchenermittler spielen.

Wenn der 46 Jahre alte Wahlmünchner Hillenbrand von seinem Alltag als Schriftsteller erzählt, dann passt das besser in ein Loft in Berlin-Mitte als in die barocke Kaffeeherrlichkeit des Münchner Café Marais mit seinen unzähligen Schubern und den viktorianischen Holzstühlen. Mit seinem eng geschnittenen T-Shirt und den schwarzen Ohr-Plug-Ins wirkt Hillenbrand wie ein erfolgreicher Start-up-Unternehmer, der es geschafft hat, sein Geschäftsmodell auf dem Markt zu etablieren. Nur dass es bei ihm Krimis und Thriller sind: "Es macht erst mal keinen Unterschied, ob das jetzt eine Ein-Mann-Textproduktionsbude ist oder irgendwas Technisches. Irgendwann muss es fliegen", sagt er. Kann einer wie er sich vorstellen, im Kaffeehaus zu schreiben, die Gespräche der Tischnachbarn ständig im Ohr? Nein, zum Schreiben braucht er absolute Ruhe. Schließlich hat er ein klares Ziel: 10 000 Zeichen hackt er jeden Tag von acht bis zwölf Uhr in seinen Computer, alles wird digital verschlagwortet. Bis zu zwei neue Romane produziert er auf diese Weise pro Jahr, eine ziemlich gute Quote für einen Autor.

Gerade hat er einen dicken historischen Thriller herausgebracht, "Der Kaffeedieb" heißt er, daher der Treffpunkt im Café Marais. Hier, im ehemaligen Warenhaus aus den Zwanzigerjahren, bekommt man eine Ahnung davon, welche Rolle die braune Bohne im 17. Jahrhundert in Europa gespielt hat. "Der ganze Welthandel ist in der Kaffeepflanze drin", sagt Hillenbrand. Welthandel, es geht jetzt um das Lieblingsthema des ehemaligen Wirtschaftsjournalisten. Hillenbrand spricht dann noch schneller als sonst, aber sein Tonfall wird weicher, wenn er davon erzählt, wie das alles zusammenhängt mit dem Kaffee, der Globalisierung und der internationalen Politik: "Die Kaffeepflanzen in Brasilien zum Beispiel. Die hat ein französischer Adeliger aus dem Botanischen Garten des französischen Königs geklaut, mit aufs Schiff genommen, mit seiner Süßwasserration durchgebracht und in der neuen Welt angepflanzt", erklärt er und fügt hinzu: "Häufig braucht es einen findigen Typ, und dann entsteht so was aus einer Einzelaktion eines Individuums, das ist natürlich auch irre." Fast überschlägt sich seine Stimme vor Begeisterung. In solchen Augenblicken, in denen er gar nicht mehr aufhören will, Detail an Detail zu reihen, blitzt für einen Moment die andere Seite des smarten Bestseller-Autors Tom Hillenbrand auf: "Ich bin wahrscheinlich selber ein ziemlicher Nerd. Voller unnützem Wissen", sagt er dazu.

"Einen ziemlichen Nerd" nennt er auch die Hauptfigur seines historischen Romans, den Londoner Obediah Chalon, der für die weltgrößte Handelsorganisation des 17. Jahrhunderts Kaffeepflanzen aus dem Nahen Osten stehlen soll. Ein blitzgescheiter, naturgelehrter "Virtuoso" ist dieser junge Londoner. Einerseits. "Auf der anderen Seite ist er total verklemmt, einer, der sich vor der Welt versteckt, stundenlang drinsitzt und Briefe schreibt." Manchmal wirkt Hillenbrand im Gespräch, als ob ihm nicht ganz wohl wäre mit dem, was er gerade gesagt hat. Er zieht dann den Kopf ein wenig nach links und drückt seinen Hals in die entgegengesetzte Richtung. Seine Augen huschen schnell von rechts nach links. Ein wenig unsicher wirkt er dann.

Um diese andere, die in sich gekehrte Seite von Tom Hillenbrand besser zu verstehen, hilft es, zu wissen, dass der Mittvierziger seit der Kindheit ein leidenschaftlicher Fantasy-Rollenspieler ist. Hier kann er seiner Liebe zum Detail, zum Ausschmücken freien Lauf lassen: "Da habe ich totale Handlungsfreiheit", sagt er. Vor einiger Zeit hat er sich einen Traum erfüllt und ein Rollenspielbuch geschrieben. Weil es niemand verlegen wollte, hat er es über Crowdfunding finanziert. "Und wir haben sogar noch Geld damit verdient", fügt er stolz hinzu. Da ist er wieder zurück, der ökonomische Ehrgeiz des belletristischen Businessmans Tom Hillenbrand. Fürs Foto bestellt er sich übrigens dann doch noch einen Cappuccino. Diese Pointe will er sich nicht entgehen lassen.

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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