Literatur:Drei schräge Typen auf Schatzsuche

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Drei Außenseiter werden zu Freunden, als sie mit den Großvätern einen Schatz suchen. Ungewöhnlich Verbindung zwischen Familiengeschichte und Jungenleben. Sehr literarisch.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Glaubt man der amerikanischen Kinder- und Jugendliteratur, so gibt es in jeder Schulklasse einen bedauernswerten Außenseiter, der von seinen Mitschülern lustvoll gequält wird. Das Besondere an diesem Debüt von Matthew Baker Diebe, Lügner und Helden wie wir ist, dass wir es gleich mit drei geächteten, schrägen Typen zu tun haben, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch auf wundersame Weise Freunde werden.

Da ist einmal der 11jährige Ich-Erzähler Nicholas. Er spielt Geige, ist hochbegabt und besessen von Primzahlen, die nach seiner Überzeugung Unglück bringen. "In dem Jahr, in dem mein Bruder gestorben ist, war ich sieben und meine Mom war einundvierzig und mein Dad war dreiundvierzig. Wir waren alle Primzahlen. Mein Bruder hatte keine Chance." Seine Eltern pflanzen im Garten einen Baum für den Baby-Bruder, und Nicholas vertraut seinem Bruder-Baum alles an, was ihn bedrückt. Deshalb ist es für ihn eine Katastrophe, als sein Vater arbeitslos und das Geld so knapp wird, dass sie im Garten ein Schild "Zu verkaufen" aufstellen müssen.

Von ganz anderem Kaliber ist Zeke Song, von dem alle wissen, dass er hemmungslos klaut. Er zieht immer mit seinen beiden Schäferhunden durch die Gegend, und niemand weiß, wo er wohnt. Bei der Neuverteilung der Schul-Spinde muss sich Nicholas einen mit Zeke teilen, der darin einen Rucksack mit viel Geld aufbewahrt, was die Begehrlichkeit des großen und des kleinen Isaac weckt, die Nicholas so brutal bedrohen, dass er ihnen den Code für den Spind verrät. Und als Dritter im Bunde Jordan, der Tunichtgut der Schule, dem jede Schandtat in die Schuhe geschoben wird, wahrlich kein Freund von Nicholas!

Die sehr temporeiche Erzählweise voller kurzer, witziger Dialoge, für den die großartigen Übersetzer Wieland Freund und Andrea Wandel genau den richtigen Ton gefunden haben, steigert sich, als die Großväter ins Spiel kommen. Zuerst taucht Großvater Rose auf, den Nicholas für tot hielt. Stattdessen war er im Gefängnis, er hatte für Schmuggler gearbeitet. Jetzt ist er 89 Jahre alt und ziemlich verwirrt. Er hat eine wertvolle alte, aber leider kaputte Spieluhr in seinem Koffer und behauptet, es gäbe noch Erbstücke im verfallenen "Geisterhaus", das einst ihm gehörte. Nicholas' Mutter glaubt ihm nicht und bringt ihn in ein Pflegeheim. Nicholas aber hofft, es gäbe noch mehr Erbstücke, denn dieser Familienschatz ist die einzige Chance das Haus zu retten. Bei seinen Besuchen im Seniorenheim trifft er dort auf Jordan, der sich rührend um seinen Opa Dykhouse kümmert. Die beiden alten Männer wollen unbedingt weg, und die Jungs beschließen, sie im Geisterhaus einzuquartieren. Als auch noch Zeke zu ihnen stößt, beginnt eine gefährliche Suche nach dem Schatz, die zu einem überraschenden, vom Autor dramaturgisch glänzend inszenierten Happy End führt. (ab 10 Jahre)

Matthew Baker: Diebe, Lügner und Helden wie wir. Aus dem Amerikanischen von Wieland Freund und Andrea Wandel. Thienemann Verlag, Stuttgart 2016. 368 Seiten, 14,99 Euro.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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