Literatur:Blick in die Schreibwerkstatt

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(Foto: picture alliance)

Der amerikanische Autor Andrew Sean Greer hat sich noch mal angesehen, was er im Lauf der Jahre alles so an Roman-Exposés eingereicht hat - und kommt selbst aus dem Staunen nicht mehr raus.

Von Felix Stephan

Eine weitverbreitete Legende besagt, dass Schriftsteller ihre Zeit vor allem mit dem Verfassen von Romanen verbringen. Die Wahrheit aber ist, dass sie in ihrem Leben sehr viel mehr Anträge und Exposés schreiben, die sich an ein sehr spezifisches Publikum richten: Verlage, die halb fertige Manuskripte kaufen, und Gremien, die Stipendien vergeben. Es gibt Schriftsteller, die in diesen Textgattungen eine gewisse Meisterschaft entwickelt haben, was mitunter zur Folge hat, dass die Exposés bessere Texte sind als die Romane.

Zu diesen Schriftstellern gehört Andrew Sean Greer nicht. Der Amerikaner, der gerade für seinen jüngsten Roman "Mister Weniger" mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, hat sich Jahr für Jahr mit verschiedenen Romanideen an die Guggenheim-Stiftung gewandt, um eines der begehrten Stipendien zu ergattern. Für " hundertvierzehn.de", den Hausblog des S. Fischer-Verlags, hat Greer sich jetzt noch einmal ins eigene Archiv gewagt und eine Liste der abgelehnten Romanprojekte veröffentlicht: "Manche sind ganz unmögliche Träumereien. Manche sind gute Ideen, die einem bei einer schlechten Flasche Wein kommen. Und manche sind, seien wir ehrlich, ganz einfach schlechte Ideen. Richtig schlechte Ideen." In der Liste findet sich unter anderem das Vorhaben, "einen Roman über ein Amerika zu schreiben, in dem die Sonne - aus unbekannten Gründen - plötzlich erloschen war", stark inspiriert von Saramagos "Die Stadt der Blinden". Außerdem die Idee für einen Roman in den 1950er-Jahren, in dem zwei Menschen heiraten, um sich gegenseitig zu decken - er schwul, sie lesbisch -, und die sich nach der Liberalisierung scheiden lassen, wobei er feststellt, dass sie in gewissem Sinne die Liebe seines Lebens war. Dieser Blick zurück ist nicht nur verblüffend schön. Der Autor ist von dieser Begegnung mit seinem alten Ego auch selbst schön verblüfft. Immer wieder mag er kaum glauben, dass es sich bei dieser Person, der vor zehn Jahren diese Einfälle gekommen sind, um ihn selbst handelt. Weshalb es bei dieser Geschichte nicht zuletzt um die lebenspraktischen Vorteile des Vergessens geht.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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