Literatur:Abgründige Stadtführung

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Das Buch von Dominique Horwitz ist auch eine Liebeserklärung an seine Frau. Für die hat er sich in Weimar niedergelassen. (Foto: Anke Neugebauer)

Der Schauspieler Dominique Horwitz liest bei der Münchner Bücherschau aus seinem ersten Roman "Tod in Weimar"

Von Eva-Elisabeth Fischer

Ein Kollege fragte: "Kann er das auch?" Ja, das kann er auch. Er kann Theater spielen, Jacques Brel singen - und tatsächlich auch schreiben. "Tod in Weimar" heißt das erste Buch von Dominique Horwitz, ein Kriminalroman. Darin wirft er einem Mann namens Roman Kaminski einen Kutschermantel um, wie man ihn wohl zu Zeiten von Edgar Allen Poe und der Gothic Novel getragen hat. Kaminski war Schauspieler, aber nicht annähernd so erfolgreich wie der, der ihn erdacht hat. Deshalb hat er sich mit zwei Rössern auf dem verlotterten Gestüt seines Onkels niedergelassen und kutschiert als Stadtführer Besucher durch Weimar, stets ein Klassikerzitat auf den Lippen - nicht nur von Goethe. Gern würde er auch den Schlenker nach Buchenwald fahren, aber das wollen die meisten seiner Besucher nicht. Das ältere Erbe Weimars: ja. Das jüngere: nein.

Auf jene, die letzteres mitverschuldet, aber auch erlitten haben, trifft Kaminski in der "Villa Gründgens", einem Altenheim für bejahrte Künstler. Dort fristet beispielsweise Oberst Lehndorff, "die Rache der Vertriebenen", seine letzen Tage; dort erblüht aber auch Leo Bamberger, einst "Kaninchen" bei Mengele in Auschwitz, mit 93 zu neuem Leben und entdeckt, durch seine Lagererfahrung geschult, eine illegale Medikamentenstudie an den Bewohnern.

Daniel Schmidts zauberhafter Film "Der Kuss der Tosca" über die "Villa Verdi", ein Heim für alte Opernsänger, schallt da herüber angesichts des skurrilen Roman-Personals. Aber die, die hier ihre Stimme erheben, singen nicht alten Zeiten hinterher, sondern kultivieren schwülen Alterssex und proben als Klassikerrevoluzzer, vereint im Schiller-Zirkel, ihre krude Version der "Räuber", die in hinreißender Respektlosigkeit im Stadttheater Weimar Begeisterungsstürme auslöst, gekrönt vom herzhaften Refrain der schamlosen Elfriede Sasse: "Scheiß drauf!"

Aber weil hier ja nicht nur ein Komikerpanoptikum aufspielt, sondern Schnitter Tod die Sense schwingt und gleich vier Menschen das Zeitliche segnen, unter ihnen auch die aufreizende, undurchschaubare Heimleiterin Trixi Muffinger, wird Kaminski auch noch zum Detektiv. Ein Fall fürs Kriminal? - Vielleicht. Sicher ist: Der Spaß besiegt alles Morbide. Noch mehr aber zählt die Liebe, für Kaminski zumal. Und auch für Dominique Horwitz, den ebenso belesenen wie gewitzten Erzähler. Denn "Tod in Weimar" ist auch eine Liebeserklärung an seine Frau, derentwegen er sich in Weimar niederließ. Und an die auch heute politisch nicht ganz lautere Stadt. Die Lesung von Horwitz bei der Münchner Bücherschau wird zweifellos vergnüglich. Wer da nicht kann, mag sich mit dem Hörbuch trösten.

Dominique Horwitz: "Tod in Weimar", Lesung, Samstag, 5. Dezember, 19 Uhr, Black Box (Gasteig), www.muenchner-buecherschau.de

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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