Liebesdrama:Irrungen, Wirrungen

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Liebe vs. Holocaust: Das Drama "Die Geschichte der Liebe" zerfleddert in einem komplizierten Figurengeflecht.

Von Juliane Liebert

Sophie Nélisse und William Ainscough in "Die Geschichte der Liebe". (Foto: Prokino Filmverleih)

Ein kleines Denkspiel: Ein alter Mann fragt in einem Buchladen jede Woche nach einem Buch, das nicht existiert. Ein Mädchen, das heißt wie die Hauptfigur dieses Buches, versucht ihre Mutter zu verkuppeln - mit dem Sohn des alten Mannes, der ein berühmter Autor ist, aber eines anderen Buches. Um es aber noch komplizierter zu machen, ist der berühmte Autor - eventuell - der Sohn einer anderen Hauptfigur, also nicht des Buches, das es doch gibt, sondern des Filmes. Und wieder eine andere Hauptfigur hat eine Hauptfigur betrogen und eine weitere Hauptfigur existiert vielleicht gar nicht. Frage: Wie viele Charaktere muss der Regisseur aus dem Drehbuch streichen, damit er sich nicht verfranzt?

Noch ein Denkspiel: Drei Freunde sind leidenschaftlich in dasselbe Mädchen verliebt. Sie leben in einem Dorf in Polen kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Alle drei schreiben. Einer hat romantische Im-Heu-wälz-Szenen mit der Angebeteten, einer stirbt, einer ist klein und geht nach Kuba. Welcher der drei kriegt das Mädchen? Keiner.

Radu Mihăileanus Film "Die Geschichte der Liebe" beruht auf dem gleichnamigen Roman von Nicole Krauss. Die Filmrechte an dem Buch wurden schon vor Fertigstellung des Buches gekauft. Eine Praxis, die - wie man hier deutlich sehen kann - durchaus ihre Tücken hat. Die Hauptfigur, Leopold Gursky, ist zu Beginn des Filmes alt, hat die Frau nicht gekriegt und sein einziges Manuskript in den Wirren des Krieges verloren. Aus dieser an sich spannenden Grundkonstellation entwickelt sich ein Kreuzworträtsel von einem Film.

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Die passende Genrebezeichnung für "Die Geschichte der Liebe" wäre wohl Post-Holocaust-Kitsch. Das soll nicht heißen, dass der Film schlecht ist, er ist nur mühselig. Wie ein schlechter Tag, an dem alles knapp schiefgeht. Der Kaffee brennt an, der Bus fährt einem vor der Nase weg, Leute, die man treffen will, sterben immer kurz vorher. Oh, und der Holocaust. Man sollte ihn nicht als Ausrede für mittelmäßige Liebesgeschichten verwenden. Es gibt auch andere Dinge, die füreinander bestimmte Liebespaare voneinander trennen können.

Trotzdem ist "Die Geschichte der Liebe" ein lohnender Film. Er bringt einen auf Ideen, die schon lange in einem ruhten und erst jetzt klare Form annehmen. Man könnte beispielsweise darüber nachdenken, Trump zu unterstützen, falls er in der Lage wäre, Klavierarpeggien als Filmmusik nachhaltig zu verbieten. Warum müssen Sommerbilder eigentlich immer gelb eingefärbt sein? Warum weiß man, das Charaktere, die eine Szene mit dem Kommentar verlassen, "beim nächsten Mal alles zu erzählen", immer dem sicheren Tod entgegenschreiten? Könnte nicht ein einziges Mal einer dieser Charaktere wirklich zurückkommen und einfach alles schön chronologisch erzählen, und dann ist man nach dreißig Minuten wieder raus aus dem Kinosaal, sitzt mit der noch halb vollen Popcorntüte in der Sonne und freut sich des Lebens?

Nein, stattdessen zwei Stunden lang Trennungen und Wiederbegegnungen, dramatische Szenen mit viel Tränen und Flüstern. Wie ein Familienfest, nur ohne die eigene Familie. Ein Traum.

The History of Love , USA 2016 - Regie: Radu Mihăileanu. Buch: Mihăileanu, Marcia Romano. Kamera: Laurent Dailland. Mit Gemma Arterton, Derek Jacobi, Sophie Nélisse. Prokino, 135 Minuten.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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