Lange Nacht der Musik:Politik mit der Violine

Lesezeit: 2 min

Schnuckenack Reinhardt ist sein großes Vorbild: Romeo Franz (links) mit seinem Ensemble, dem auch der 16-jährige Sunny Franz angehört. (Foto: Oliver Feldhaus/PR)

Romeo Franz setzt sich mit seinem Ensemble für die Rechte der Sinti und Roma ein

Von Claus Lochbihler, München

Es gibt eine Komposition von Romeo Franz, die ihm Wochen und Monate harter Arbeit abverlangte, in der sein ganzes Herzblut als Politiker und Musiker steckt, die er aber trotzdem nie bei seinen Konzerten spielt. "Mare Manuschenge" heißt sie auf Romanes. Zu Deutsch: Unsere Menschen. Man kann sie hören, wenn man das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin, unweit des Reichstags, besucht. Nur da ist "Mare Manuschenge" zu hören.

Kein Lied, sondern "ein Klangbild" nennt Romeo Franz seine Komposition. Er hat dafür die zwei Töne eines unter Sinti verbreiteten Pfiffs, mit dem zum Beispiel Kinder gerufen werden, mit den Noten der sogenannten Zigeunertonleiter kombiniert. Eingespielt hat der 50 Jahre alte Violonist diese klangliche Erweiterung des von Dani Karavan entworfenen Mahnmals mit einem ganz besonderen Geigenbogen. Dem von Paul Franz, dem Bruder seines Großvaters väterlicherseits.

Paul Franz war preußischer Sinto. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg, musizierte mit seinen vier Brüdern als "Kapelle Franzens" in den Kurhäusern an der Ostsee. Im Mai 1940 wurde er zusammen mit seinem Bruder Albert von der Gestapo verhaftet und deportiert. Albert wurde bereits auf der Fahrt nach Auschwitz erschossen, Paul vor den Toren des Vernichtungslagers. Der Rest der Familie - darunter auch der Großvater von Romeo Franz - konnte nach Italien flüchten. Von Paul und seinem Bruder Albert und den vier weiteren Angehörigen, die dem Porajmos, dem Holocaust an den Sinti und Roma, zum Opfer fielen, blieb ihnen nur die Erinnerung - und ein Geigenbogen. Unter eigenem Namen macht Franz seit 1991 Musik. Gelernt hat er das Musizieren und das Geigenspiel unter anderen von Franz "Schnuckenack" Reinhardt. Der virtuose Geiger war Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre mit seinen Konzerten und Aufnahmen so etwas wie der Vater und Neu-Begründer der deutschen Sinti-Musik. Nur, dass die Musik damals, Jahre vor der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma, noch immer "Musik deutscher Zigeuner" genannt wurde.

Als Franz 1991 das nach ihm benannte Ensemble gründete, war für ihn von vorneherein klar: "Ich bin kein Zigeuner, sondern Sinto. Also mache ich auch keine Zigeunermusik." Dass er bei Konzerten die alten, rassistisch konnotierten Begriffe von Zuhörern nur noch ganz selten zu hören bekommt, wertet er als Zeichen von Fortschritt. Die Musik der Sinti habe dazu beigetragen, wenigstens die Fans dieser Musik für die Geschichte der Sinti und Roma zu sensibilisieren. Weil das aber noch längst nicht für alle gesellschaftlichen Bereiche zutrifft, engagiert sich Romeo Franz seit Jahren politisch: 2013 trat er für Bündnis 90/Die Grünen 2013 bei der Bundestagswahl an. Als Geschäftsführer der Hildegard Lagrenne-Stiftung setzt er sich deutschland- und europaweit für die Rechte und Belange von Sinti und Roma ein.

Wenn Romeo Franz am Samstag im NS-Dokumentationszentrum auftritt, wo Ende Oktober eine Sonderausstellung über "Die Verfolgung der Sinti und Roma in München und Bayern 1933-1945" eröffnet, will er ein dem Ort angemessenes Repertoire spielen: Musik seines Lehrmeisters und Vorbilds Schnuckenack Reinhardt, Lieder auf Romanes, jüdische und Sinti-Musik. Und natürlich Django Reinhardt. Nur "Mare Manuschenge" wird auch da nicht erklingen.

Romeo Franz Ensemble zur "Langen Nacht der Museen"; Samstag, 15. Oktober, 21 Uhr, NS-Dokumentationszentrum, Brienner Str. 34

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: