Kurzkritik:Zweite Reihe

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Von Harlem nach Ostafrika mit Stopp in der Unterfahrt: die Sängerin Somi und der Pianist Toru Dodo. (Foto: Ralf Dombrowski)

Die New Yorker Sängerin Somi in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

Angekündigt war eine Supergroup des amerikanischen Jazz mit Gitarrist Liberty Ellman, Bassist Ben Williams und Drummer Nate Smith. Übrig blieb von der Originalbesetzung nur der Pianist Toru Dodo, die anderen Herren hatten dann wohl doch keine Zeit, mit Somi auf Tournee zu gehen. Das war einerseits schade, denn den Kollegen von der europäischen Reservebank fehlte ein wenig die Souveränität im Umgang mit den Feinheiten der aus New Yorker Perspektive kulturverknüpfend konzipierten Musik der Sängerin, die sich mit ihrem Programm von Harlem aus auf die Reise nach Ostafrika begibt. Vor allem der Bassist Gino Chantoiseau und der Schlagzeuger Laurent-Emmanuel Bertholo waren an vielen Stellen des Konzerts in der Unterfahrt so sehr mit dem Lesen der Notenblätter und der Konzentration auf die Kommandos der Chefin beschäftigt, dass sich die Energie der Stücke nur gebremst entfalten konnte.

Die Umbesetzung barg aber auch Chancen. Denn der senegalesische Gitarrist Hervé Samb, den Somi von früheren Projekten wie ihrer Hommage an Nina Simone kennt, brachte weit mehr Klangoriginalität ins Spiel, als es sein amerikanischer Kollege wahrscheinlich hätte tun können. Sein Instrument klang mal nach Ngoni, mal nach Kora, gedämpft gespielt, dynamisch differenziert und bei Bedarf bis in rockige Soundsphären mündend. Da Pianist Toru Dodo sich gestalterisch bis auf einige eigentümlich wirre Soli zurückhielt, war es vor allem Samb, mit dem Somi kommunizierte und dessen Stileigenheiten sie genoss.

Auf ihn konnte sie bauen, konnte etwa die nur rhapsodisch begleitete, aber dramatisch pointiert sich steigernde Ballade "The Gentry" wachsen lassen, konnte Stings "Englishman" schnippisch-charmant in eine "Africaine" in New York umdeuten, oder nachdenkliche Lieder wie "Black Enough" mit Nachdruck entfalten. Wenn Somi mit ihrem enormem Stimmumfang sich klar und zugleich kraftvoll in die Höhen schraubte oder dezent gehaucht die Texte der Lieder zu Poemen werden ließ, war es fast egal, wer sie begleitete. Aber doch nur fast.

© SZ vom 21.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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