Kurzkritik:Zweiheimisch

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Namika zeigt sich im Backstage auch musikalisch interkulturell

Von DIRK WAGNER, München

Ihr Sound sei "elegant,, aber laut", und damit "die Antwort darauf, was das Land gerade braucht", beschreibt sich die 24-jährige Frankfurterin ḤAnan ḤAmdi alias Namika selbst zu Beginn ihres ausverkauften Konzerts in der Kranhalle. Die deutsche Sängerin mit marokkanischen Wurzeln sieht sich als "Kultur-Hybrid" und meint damit, dass sie als hybride Identität zweiheimisch aufgewachsen sei und sich somit zwei Kulturen zugehörig und zugleich stets zwischen den Stühlen befindlich empfindet. Etwa, wenn sie sich in Nador, der marokkanischen Heimat ihrer Großeltern, gleichzeitig zu Hause und verloren fühlt, wie sie singt: "Zwischen meinen Welten liegen 2000 Meilen. Fühl mich oft zerrissen, würd Sie gerne verein'. Ich würd so gerne wissen, wo ich hin gehör'. In meinen Träumen fließt der Main in das Mittelmeer."

In solcher Identitätskrise entsteht nun eine dritte, eine musikalische Identität, mit der der Shootingstar Namika sich auch gegen sexuelle Unterdrückung wehrt: "Mach laut, dreh die Anlage auf. Dann schafft's mal 'ne Frau". Solche Haltung kommt an bei den überwiegend jungen Frauen im Publikum, die ihrem neuen Rolemodel zustimmen, wenn Namika mit Klischees spielend feststellt: "Wir Mädchen sind gar nicht so kompliziert. Die Männer verstehen uns nur nicht." Und dann kommt das Lied vom Nichtchecker, der im krassen Kontrast zum "Lieblingsmensch" steht, mit dem Namika die Hitparade anführte und entsprechend auch die Zugabe einläutet. In drei Etappen singt sie jenen Hit: zunächst unsichtbar, weil noch im Backstage versteckt, derweil die Band bereits auf der Bühne spielt; dann endlich auch auf die Bühne gekommen als Gesangslehrerin, die mit dem Publikum noch mal den Refrain übt; und schließlich als hessischer Popstar, der mit einer Mischung aus Soul, Hip-Hop und Deutschpop gerade den Mainstream auch außerhalb Frankfurts am Main aufmischt.

Will Namika sich nun aber auch gegen diesen Mainstream behaupten und nicht wie viele einst scharfkantigen Gesteine vor ihm zu harmlosen Kieselsteinen gerundet werden, täte sie gut daran, auch live mehr von jenen marokkanisch anmutenden Klängen ihrer Studioproduktion hervorzuheben, die letztlich auch die Interkulturalität ihres Sounds betonen.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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