Kurzkritik:Zeitlos schwebend

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Wieder da: Die Band "Slowdive" im Technikum

Von Jürgen Moises, München

Anfang der Neunzigerjahre hatte Shoegazing als Stil seinen kurzen Höhepunkt. Dann kamen die Grunge- und Britpop-Wellen und schwemmten den Schuhstarr-Sound mit seinen Hall-Effekten, Feedback-Gewittern und mehrstimmigen Gitarrenwänden von den Bühnen. Maßgebliche Shoegaze-Bands wie Slowdive, Ride oder My Bloody Valentine lösten sich bald darauf auf. Aber nicht für immer. Denn bekanntlich leben wir in einer Welt der Retromania, und nach der Reunion von My Bloody Valentine sind seit 2014 auch Ride und Slowdive zurück. Letztere konnte man nun mit ihrem viel gelobten Comeback-Album im vollen Technikum in München erleben, auf ihrer ersten Europatour seit mehr als 20 Jahren.

Das ist eine lange Zeit, die sich aber sofort im Flirren der Gitarren, in den knorrigen Bassläufen, dem leichten Nebel und den psychedelischen Wellenmustern im Bühnenhintergrund verliert. Und tatsächlich wirkt es so, als wären die fünf Briten nie weg gewesen. Okay, sie sehen etwas älter und gereifter aus. Aber da sie wie früher auf alles Exaltierte und machohafte Rockgesten verzichten, steht allein ihre Musik im Mittelpunkt. Und die wirkte auch damals schon irgendwie zeitlos ätherisch und wie über den Dingen schwebend. Das gilt für die flirrenden Gitarrenakkorde, die sich wie etwa am Schluss beim Syd-Barrett-Cover "Golden Hair" auch mal zu postrockigen Mauern hochtürmen, genauso wie für den sanften Gesang von Neil Halstead und Rachel Goswell, der wie ein Hauchen im Gitarrenwind klingt.

Slowdive spielen neue Songs wie "Sugar For The Pill", aber vor allem alte Lieder wie etwa das mal wolkige, mal wolkenschwer verhangene "When The Sun Hits" oder das verträumt neblige "Alison". Und diese machen deutlich, wie stark spätere Bands wie Beach House oder The XX von Slowdive beeinflusst sind. Als Zugabe gibt es das melancholische "40 Days", und die Euphorie der Zuschauer am Ende zeigt deutlich, dass diese Slowdive weit mehr als nur 40 Tage vermisst haben.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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