Kurzkritik:Wohl geformt

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Der Orpheus Chor mit Monteverdis "Marienvesper"

Von Klaus Kalchschmid, München

Claudio Monteverdis prachtvolle "Marienvesper" hat auch 400 Jahre nach ihrer Entstehung nichts an Faszination eingebüßt, so vielfältig und reich ist sie im Wechsel von Solo-, Ensemble- und Chorsätzen bis hin zum Magnificat. Spannend ist aber nicht nur ihr wechselndes Klangbild auf der Schwelle von der Renaissance zum Barock, sondern auch der oftmals effektvolle Opern-Gestus und die farbenreiche Textausdeutung. Unter der Leitung von Gerd Guglhör kamen im Herkulessaal zum Orpheus Chor noch sieben Gesangssolisten und das großartige elfköpfige Instrumental-Ensemble "Les Cornets Noire" mit vier Streichern, Zinken, Posaunen, Theorbe und Truhenorgel hinzu.

Da gab es also einen Chor, der artikulierte und phrasierte, als würde er ein solches Repertoire täglich musizieren, so natürlich und doch wohlgeformt, so locker und doch streng gefügt wurde jede Phrase gesungen. Aber auch die Solisten Ulrike Hofbauer und Gerlinde Sämann (Sopran), die Altistin Katharina Guglhör, Hermann Oswald und Manuel Warwitz (Tenor) sowie der Bariton Matthias Winckhler und der Bass Wolf Matthias Friedrich fügten sich in wechselnden Besetzungen immer wieder perfekt ein oder setzten eigene Akzente.

Gegen Ende des ebenso langen wie kurz-weiligen Abends gab es ein "Gloria" Monteverdis von 1640, dessen Beschwörung von "Frieden den Menschen auf Erden" außergewöhnlich tief gesetzt war und so besonders dringlich wirkte, sowie die rare Begegnung mit zwei gleichzeitig entstandenen Werken von Monteverdis Schüler Giovanni Antonio Rigatti, der um 1613 geboren wurde und kaum 35 Jahre alt wurde. Auch seine Musik ist höchst farbenreich, bezieht im "Dixit Dominus" mehrfach die Instrumentalmusik ritornell-artig mit ein und ist an manchen Stellen nicht zuletzt des "Magnificat" noch theatralischer als Monteverdi. In jedem Fall konnte man in diesen Stücken eines 22-Jährigen einen exzellenten Komponisten entdecken, der leider auch auf dem Tonträger-Markt so gut wie nicht existiert.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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