Kurzkritik:Weltkundig

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Das Ben Williams Quartett fasziniert in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

Man könnte nicht nur meinen, Jazz sei wieder en vogue, es sieht sogar deutlich danach aus. Allein in der vergangenen Woche waren mehrere Konzerte in der Unterfahrt ausverkauft und das nicht allein mit den üblichen Verdächtigen im Publikum, sondern mit zahlreichen Studenten, Neulingen und Neugierigen, die nach Klängen suchen, die begeistern können. Auch Ben Williams machte den Club voll und das, obwohl der Bassist aus Washington bislang vor allem als Sideman etwa von Pat Metheny aufgefallen war.

Er ist allerdings mit einem Quartett durch Europa unterwegs, das herausragende junge Kollegen an seine Seite stellt. Der Pianist Christian Sands beispielsweise tourte während der vergangenen Jahre viel mit dem Bassisten Christian McBride und machte sich auf diese Weise einen Namen als faszinierend flexibler Polystilist mit profunder Musikalität, dem ein Oscar Peterson ebenso nah ist wie Herbie Hancock oder Claude Debussy. Der Saxofonist Marcus Strickland gehörte lange zur Band des Hardbop-Drummers Roy Haynes und ist ebenfalls ein erfahrener Modernist mit einem Hang zu melodiöser Expressivität. John Davis schließlich stammt aus dem stilistischen Umfeld New Yorker Alleskönner wie Chris Potter und rundet das Quartett um eine Prise rhythmisches Soul-Gefühl ab. Überhaupt gilt für ein Team wie das Ben Williams Quartett kaum noch das traditionelle Muster jazziger Stilgewissheit. In dieser Musik findet sich Elemente eines umfassenden klanglichen Weltwissens wieder, Afroamerikanisches und Stevie Wonder, Nirvana und Claude Debussy, Hiphop und Bebop, transformiert in ein Gestaltungsmodell, das an der Wirkung, am unmittelbaren Bedürfnis nach künstlerischen umgesetzter Energie, nicht mehr an der Legitimierung aus der Tradition des historischen amerikanischen Jazz heraus interessiert ist.

Williams, Sands, Strickland und Davis spielen, was ihnen wichtig ist, und da sie nicht nur ausgezeichnete Instrumentalisten sind, sondern als Kinder einer Generation Internet alles, was sie gut finden, gleichberechtigt in ihren Kosmos integrieren, klingt ihre Musik so frisch, persönlich und zugleich universell, dass das Publikum der Unterfahrt am Ende euphorisiert den Club verlässt.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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