Kurzkritik:Ursprung des Pop

Max Raabe und sein "Palast Orchester"

Von DIRK WAGNER, München

Erschreckend bleibt, wie weltoffen und neugierig die deutsche Populärkultur unmittelbar vor der Machtergreifung der Nazis war. Eigentlich hätte so eine Kultur die Nazis verhindern müssen. Stattdessen vertrieben die Nazis die Kulturschaffenden ins Ausland oder ermordeten sie, weil sie zum Beispiel Juden waren. Und der Rest wurde so auf Linie gebürstet, dass kaum noch Pop überleben konnte. Darum stammen die meisten Lieder aus der Zeit vor 1933, die der Bariton Max Raabe mit seinem Palast Orchester in der Philharmonie nicht nur formvollendet wiederbelebt, sondern auch spannend im ursprünglichen Stil weiterentwickelt.

Da skizzieren eine osteuropäische Weise der Violine und das klezmertypische Jubeln der Klarinetten auch mal den jüdischen Ursprung des US-amerikanischen Schlagers "Bei mir bist du schön". Weswegen auch der eigentliche Komponist Sholom Secunda aus der berühmten Adaption des Komponisten Sammy Cahn hervorlächelt, die das Palast Orchester mit einem mitreißenden Big-Band-Sound aufbereitet.

Den eigenen Hit "Kein Schwein ruft mich an" schicken die Musiker hingegen auf Weltreise, indem sie ihm mit instrumentalen Raffinessen mal ein französisches, mal ein italienisches, mal ein russisches, chinesisches oder US-amerikanisches Flair abgewinnen. Dabei beweist auch der neue Schlagzeuger Fabio Duwentester seine jahrelang beim Roncalli Orchester trainierten Zirkusqualitäten. Denn ein Konzert des Palast Orchesters vereint außergewöhnliche Musik mit heiteren Moderationen und einer visuellen Komik, die Loriot nicht witziger hätte zeichnen können.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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