Kurzkritik:Unterschätzt

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Jeff Lorber zelebriert Fusion mit intellektueller Leichtigkeit

Von Ralf Dombrowski, München

Die Fachpresse früherer Jahre hat ganze Arbeit geleistet. Denn durch ihre Geringschätzung von improvisierenden Musikstilen, die sich dem Innovationsdruck ständiger Selbsterneuerung widersetzen, fiel auch Fusion durch das Raster, der Versuch vor allem amerikanischer Künstler, den Jazz mittels eingängiger Themen und rockpoppigem Appeal wieder einem größeren Publikum zuzuführen. Jeff Lorber beispielsweise ist einer der Leidtragenden dieses progressiv verstandenen Sektierertums. Denn angesichts von vier Jahrzehnten intensiver und umtriebiger Arbeit als Studioknecht und Bandleader müsste die Unterfahrt bei seinem Gastspiel eigentlich aus alle Nähten platzen.

Es waren aber noch Plätze frei und alle, die sich das Konzert des selten durch Europa tourenden Keyboarders und Komponisten aus Philadelphia haben entgehen lassen, können nun ein Tränchen vergießen. Denn mit dem Yellowjackets-Bassisten Jimmy Haslip, dem über Chick Coreas Electric Band bekannt gewordenen Drummer Gary Novak und dem Saxofonisten Patrick Lamb aus dem Dianne-Schuur-Umfeld stand genau so eine Band auf der Bühne, die Musik als Fest intellektueller Leichtigkeit zelebrierte. Grandios, wie Haslip und Novak harmonierten und kommunikative Komplexität grooven ließen. Faszinierend, wie Lorber die Band mit seinen vor kleinen rhythmischen und kommentierenden Akzenten nur so überbordenden Arrangements zusammenhielt und zugleich in der Lage war, mit E-Piano-Sounds der Siebziger elegant und energisch phrasierend die Vergangenheit in die Musik zu holen.

Patrick Lamb wiederum stand früheren Solisten der Band wie Eric Marienthal in Geläufigkeit und instrumentaler Versiertheit um nichts nach und gönnte sich Momente sportlichen Posertums, die der Musik neben dem Drive und der beiläufigen Perfektion eine zusätzliche Entertainment-Komponente verliehen. Als schließlich vor der Zugabe noch Jeff Lorbers Hit "Tune 88" an die Reihe kam, war das Publikum nur noch schwer davon abzuhalten, mitzutanzen.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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