Kurzkritik:Unstofflich

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Samuel Becketts "Words and Music" im Jüdischen Zentrum

Von Egbert Tholl, München

Was ist mit Lily? Weiß man nicht. Die meisten Zuhörer werden eh nicht drauf achten. Vielleicht ist es auch egal, was mit Lily ist, vielleicht ist nur wichtig, dass da was war. Eine Liebe. Denn Krak stöhnt, wenn von Lily die Rede ist. Aber Krak stöhnt öfter. Eigentlich stöhnt Krak bei jedem verdammten Thema. Stöhnt andauernd. Obwohl er der Herr ist. Zu sein scheint. Der Herr von Joe und Bob. Von Worte und Musik also. So heißen die Knechte. Krak haut mit seinem Stock auf den Boden, und Worte spricht. Krak fordert von Musik die Musik, von Worte die Worte, gibt das Thema vor, Worte spricht, Krak ächzt. Musik macht Musik. Weil es vielleicht nur um die Liebe geht.

Hier, im Burda-Saal des Jüdischen Zentrums am Jakobsplatz, kann man sich Worte als Caliban vorstellen, denn Bibiana Beglau spricht Wortes Worte. Dann wäre Krak Götz Otto. Mmh, vielleicht ein bisschen zu jung, zu viril für einen Prospero, einen alten Zauberer. Und Musik wäre entsprechend Ariel. Luftgeist. Das passt dann wieder sehr gut, zum unstofflichsten Stoff der Poesie. 1961 schrieb Samuel Beckett "Words and Music", ein Hörspiel fürs Radio. Sein Cousin schrieb die Musik dazu, Beckett zog nach der Uraufführung das Stück zurück, der Cousin komponierte offenbar nicht sehr gut. Viele Jahre später sollte das Stück wiederbelebt werden, und nun schrieb Becketts Künstlerfreund Morton Feldman die Musik. Also den Dialogpart von Musik. Worte spricht, Musik ist Feldmans Musik. Und gewinnt am Ende. Da fleht Worte selbst: "Nochmal!"

Oper in Reinform, Worte und Musik sprechen miteinander, fast nie gleichzeitig. Sie fallen sich nicht ins Wort. Und Daniel Grossmann achtet mit den Musikern von Orchester Jakobsplatz auch akkurat darauf. Das hat ein bisschen was, sogar trotz Beglau, von Live-Hörspiel als Staatskunstform. Vielleicht hätte man den Dialog einfach in den Raum setzen müssen, mehr spielen lassen müssen, aber das geht im Burda-Saal leider nicht. Ein klein bisschen schade.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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