Dass zeitgenössische Musik humorvoll und auch politisch sein kann, erlebte man erneut bei einem Konzert des NKM im Ampere des Muffatwerks. "Neues Kollektiv München" heißt dieses Ensemble mit vollem Namen, es besteht aus Christoph Reiserer (Saxofon), Stefan Blum (Percussion), Julia Schölzel (Klavier/Synthesizer), Tobi Weber (Gitarre) und Zoro Babel (Technik), und es hatte diesmal neben dem Cellisten Caio de Azevedo und dem Schlagzeuger Fabian Strauss den phänomenalen Trompeter Paul Hübner zu Gast.
Hübner brillierte zusammen mit seinen Kollegen nicht nur in kurzen, nervösen Stücken des walisischen Komponisten Richard Barrett (Rift I+II), sondern auch in einem knappen Solo von Klaus K. Hübler ("Finale und kurzes Glück") und dem verrückten "Splitting 43" Michael Maierhofs. Da schallt die Trompete in einen Plastikbecher und muss mit einem in oder auf einer Blechdose vibrierenden Elektromotor kommunizieren. In "Red Shift 4" der Amerikanerin Lois V Vierk spielten sich der Trompeter, der Cellist, der Schlagzeuger und der E-Gitarrist dann in einen veritablen Rausch hinein. Die Uraufführung von Hübners eigenem Stück "National Velvet (Pferderennen und Jazz)" tönte vielgestaltig zwischen Hammond-Orgel, Freejazz und subtiler Kammermusik.
"Wassiljew" nennt sich ein in Berlin lebender junger russischer Komponist, der mit "Mr. Jock" einen herrlich schrägen, schmutzigen schwulen Chat, den man auf Großleinwand verfolgen konnte, gleichsam vertonte und mit der "Music for Piano" verblüffte: Kleine gezeichnete weiße Kreise füllen sich entlang einer vertikalen Linie auf der Leinwand parallel zu versprengten Tönen des Klaviers (oder der Zuspielung) langsam rot wie Blutkörperchen. Ganz am Ende wird dahinter allmählich das Gesicht eines Jungen erkennbar und die roten Blutkörperchen gerinnen zu Pockennarben, die die Haut übersähen. Während ein Ton immer lauter wird, verschwindet das Gesicht schließlich in der Dunkelheit.