Kurzkritik:Überzeitliche Geschichten

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"Jeftahs Opfer", ein Konzert in der Allerheiligenhofkirche

Von Andreas Pernpeintner, München

Für das Konzert in der Allerheiligen Hofkirche mit dem Orchester Jakobsplatz haben Dirigent Daniel Grossmann und Dramaturgin Andrea Schönhofer ein ernstes, nachdenkliches Programm ersonnen. "Jeftahs Opfer" heißt es - nach dem Gelübde des biblischen Feldherrn selbigen Namens, der, würde er siegen, das erste, was ihm entgegenkäme, Gott opfern würde: Es war seine Tochter. Musikalisch stehen Auszüge aus Händels Oratorium "Jephtha" im Zentrum: Arien und Ensemble-Gesangsstücke, die von den Solisten Iris van Wijnen, Deniz Uzun, Marzia Marzo, Dean Power und Igor Tsarkov (aktuelle oder ehemalige Mitglieder des Münchner Opernstudios) ausdrucksstark gesungen werden, besonders elegant von den drei Sängerinnen.

Auch sonst ist Schönes zu berichten. Dass sich das Orchester Jakobsplatz als ausgewogenes Barockorchester präsentiert. Auch, dass das Orchester Mordecai Seters "Jephthah's Daughter" vor der Pause ungemein plastisch spielt - ein Werk, das die Jeftah-Geschichte in eindrücklicher Instrumentalmusik einfängt und bei aller Dissonanz erstaunlich ruhige Momente findet. Doch bei aller Qualität der Darbietung - es ist das Programm an sich, das diesen Abend prägt. Das liegt an der Intensität von Seters Musik, das liegt an der Kraft der Worttexte, die die Schauspielerin Brigitte Hobmeier zwischen den Arien wunderbar vorträgt.

Die zeitliche Distanz zu denn Jeftah-Bibeltexten schafft auch einen emotionalen Abstand. Aber: Nichts hat sich seitdem geändert. Die modernen Texte von Gertrud Kolmar, André Masson, Georges Bataille, Thomas Bernhard und Sarah Kane über Opfer, Tod, Selbstmord in der zweiten Konzerthälfte berühren unmittelbar. Wobei nichts bewegender ist als Hans Neuenfels' analytische, zutiefst menschlich-einfühlsame Gedanken über das Bild "Nazi erschießt Mutter mit Kind" aus seinem Text "Wie viel Musik braucht der Mensch?". Der restliche Händel ist danach irgendwie unwichtig.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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