Kurzkritik:Trotzig im Ton

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Der Cellist Gautier Capuçon und die Münchner Philharmoniker

Von Barbara Doll, München

Als säße das Orchester samt Solist in einer Konservendose - so hört es sich an, als die Münchner Philharmoniker mit Gautier Capuçon in der Philharmonie zu Schostakowitschs erstem Cellokonzert ansetzen. Weit weg, gedämpft, seltsam blechern. Glücklicherweise verflüchtigt sich dieser Eindruck immer mehr, je trotziger Gautier Capuçon durch die maschinellen Repetitionen fetzt. Kernig, konzentriert fasst er seinen Ton, den er im zweiten Satz in geschmeidigen Gesang verwandelt. Die Tiefe kostet der Cellist expressiv aus, und in schönem Kontrast dazu erstrahlt eine lichte, eisige Klangfläche der Streicher.

Mit harten Pizzicati beginnt in der Kadenz die Wendung nach innen. Capuçon nimmt sich viel Raum für seine einsame Gedankenreise, bevor er und das Orchester sich wieder an der repetitiven Hamsterrad-Vergeblichkeit abarbeiten. Dirigent Semyon Bychkov setzt auch nach der Pause auf Präzision und weit angelegte Phrasen - zum Segen von Tschaikowskys Monsternummer "Manfred". Zu dieser Programmsymphonie nach dem dramatischen Gedicht von Lord Byron hatte sich Tschaikowsky von seinem Kollegen Milij Balakirew nach langem Zögern breitschlagen lassen. Tschaikowsky fremdelte mit programm-musikalischem Komponieren à la Berlioz, schrieb dann aber einen überwältigenden symphonischen Monolithen, der heute recht selten aufgeführt wird.

Es ist tiefschwarze Nacht in Manfreds Seele. Seine geliebte Schwester Astarte ist weg, die Elementargeister beschwört er vergeblich. In gewaltig auffahrende Stimmungsbilder hat Tschaikowsky die Zerrissenheit und Verzweiflung gepackt, und die Philharmoniker spielen sie mit grandiosem Pathos, das Bychkov genau dosiert und in weit ausgreifende Bögen kanalisiert. Der zweite Satz bezaubert mit fast impressionistischer Klangzauberei voll Anmut, schmeichelzartem Streichersound und hoher Transparenz. Im überhitzten Hexensabbat-Finale toben Blechbläser-Urgewalten, Harfenakzente leuchten in reiner Transzendenz - und die finale Heldenverklärung übernimmt die Orgel. Viel Applaus für diese scharf konturierte Überwältigungsmusik.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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