"Ich habe genung" - so hieß es einst und viel weicher als das heutige "genug" in Johann Sebastian Bachs großer Solo-Kantate für Bass aus dem Jahr 1727: Thomas E. Bauer sang am Ende eines tief berührenden Studiokonzerts im Bayerischen Rundfunk an der Seite von Kit Armstrong am Flügel nicht nur warm, beredt und facettenreich diese Originalfassung, sondern gestaltete empfindsam, lebte, durchlitt Text und Musik mit feiner Anteilnahme. Obwohl auch das nicht ganz zutrifft, denn das singende Ich leidet hier weniger, als dass es - wie bereits in einem Zwischenreich angekommen - mit dem Ende des trüben, elenden Lebens die Herrlichkeit des Jenseits ersehnt und sich fast angekommen wähnt. Das geschah ohne falsches Pathos oder klebrige Sentimentalität und wurde am Klavier herrlich vielstimmig mitgeatmet.
Begonnen hatte dieser wunderbar kontemplative Abend mit einem ganz jungen und einem schon lebenserfahren reifen Mann mit Bachs "Ich will den Kreuzstab gerne tragen" von 1726. Auch hier wird der Tod als "Schlafes Bruder" so traumhaft schön vertont ersehnt, das Leben so reich als von den Wellen gepeitschtes Schifflein besungen, dass man sich dem Sänger sogleich anschließen möchte. Bauer sang das alles mit beweglichem, oft pastellfarben abgetöntem Bariton und glücklicherweise mit ganz und gar nicht pastos penetrantem Bariton, sondern mit leicht angerauhter Stimme, deren Schönheit und Wahrhaftigkeit gleichwohl tief überzeugte.
Zwischen diesen Kantaten spielte Kit Armstrong - wie bei den Kantaten aus der Partitur auf dem Laptop - mit großem Ernst, stupender Musikalität und technischer Souveränität zehn Choralvorspiele. Teilweise war das dieselbe Melodie in unterschiedlichen Fassungen und Harmonisierungen. Auch hier herrschte tiefe Stille und Ergriffenheit im Publikum. Und als Abschluss gab es einen zur Klavierbegleitung gesungenen Choral: "Erbarme dich mein o Herre Gott."