Kurzkritik:Süßer Frieden

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Michael Volle und der Bach-Chor

Von Barbara Doll, München

Es soll ein Abend des Nachdenkens werden - über Abschied, Endlosigkeit, Loslassen. Die Musik soll durchlaufen wie ein rotes Band. Das wünscht sich der Dirigent Hansjörg Albrecht, und deshalb bittet er am Anfang des Konzerts mit Bachkantaten in der Allerheiligen Hofkirche darum, sich den Applaus bis zum Ende zu verkneifen. Eine Pause gibt es auch nicht, und das Konzept geht hervorragend auf: Tatsächlich wird es ein Konzert wie eine Meditation, die die Zuhörer tief hineinführt in Bachs Musik und ins eigene Bewusstsein.

Schon in der Choral-Motette "O Jesu Christ, meins Lebens Licht" für Chor und Orchester steht der Text im Zentrum des Musizierens; der Chorklang ist wunderbar dicht, die Sänger artikulieren verständlich. Das Münchener Bach-Orchester braucht ein wenig, bis es zu der Homogenität zusammenfindet, mit der es in der Kantate "Ich habe genug" überzeugt: fließend und wohlstrukturiert durch Hansjörg Albrecht an der Orgel, allerdings nicht immer gut durchhörbar. Dass es eine erfreuliche Sache ist, "von hinnen zu scheiden", daran lässt Michael Volles kräftiger, vibratoreicher Bariton keinen Zweifel. Die Aussicht auf "süßen Frieden" und "stille Ruh" erfüllt er in der Arie "Schlummert ein" mit Heiterkeit und bedingungsloser Zuversicht. Aufgeregte, fast überdrehte Vorfreude legt er in die Arie "Ich freue mich auf meinen Tod" - und stellt damit auch die Frage: Wieviel Eskapismus liegt in dieser Musik?

Knackig akzentuiert, souverän und flott legt Konzertmeister Daniel Giglberger seinen Part in Bachs Doppelkonzert für Oboe und Geige hin. Die Oboistin Tamar Inbar kultiviert einen edlen Ton, hält sich dynamisch jedoch zu sehr zurück. Nach der Kantate "Der Friede sei mit dir" und der Sinfonia BWV 254 wird der Blick auf die letzten Dinge in der Kreuzstab-Kantate noch einmal plastisch erlebbar: Michael Volles saftiger Bariton erklingt wie aus einem Zwischenreich, in dem die Erlösung zum Greifen nah ist - von jedem Wort, das er singt, scheint er felsenfest überzeugt. Den überirdischen Schlusschoral "Komm, o Tod, du Schlafes Bruder" lässt Hansjörg Albrecht ruhig und straff auf das eine Ziel hin steuern: "zu dem schönsten Jesulein".

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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