Kurzkritik:Seelen-Seilschaft

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Gerold Huber und Tareq Nazmi auf "Winterreise"

Von Jutta Czeguhn, München

Nie schwindet die Wärme ganz aus Tareq Nazmis schöner Bass-Stimme. Nicht einmal, als sein Wanderer im Eis auf den barfüßigen Leiermann trifft. Wer sich beim Hören der "Winterreise" gerne in wohliges Frösteln hineinsinken lässt, dem haben Nazmi und Gerold Huber diese Konsumhaltung konsequent vermasselt. Bei ihrer Interpretation von Schuberts "Kranz schauerlicher Lieder" im kleinen Saal der Pasinger Volkshochschule verzichten Sänger und Pianist auf theatralische Gefühligkeit und nähern sich dem unergründlichen Werk subtiler an.

Sie wählen einen fast analytischen Weg der Erzählkunst, der sich nie vor Schuberts Komposition und Wilhelm Müllers Dichtung drängt. So wie es sich Gerold Huber vor Jahren mit seinem engsten Lied-Partner, dem Bariton Christian Gerhaher, erarbeitet hat. Ihre Referenz-Einspielung der Winterreise faszinierte schon Tareq Nazmi, Jahrgang 1983, als er noch als Student an der Münchner Musikhochschule in Gerhahers Meisterklasse war. Längst nun ist der Bass, der bis 2016 zum Ensemble der Bayerischen Staatsoper gehörte, ein international gefragter Konzertsänger und Sängerdarsteller mit Auftritten in der Elbphilharmonie oder der Salzburger Felsenreitschule.

Sechzig Zuhörer, mehr passen nicht hinein in den Saal der Pasinger Kammermusik-Reihe. In dieser intimen Salon-Atmosphäre wird die Winterreise für das Publikum zum barrierefreien Erlebnis, wenn Huber - nicht ohne Ironie - aus dem Bösendorfer-Flügel die Krähen kreischen und die Hunde bellen lässt, Brüche provokant hart, fast modern setzt, am Ende sogar hörbar macht, wie erfrorene Hände die Leierkastenkurbel drehen. Auch Nazmis reicher Bass stellt sich den kruden Stimmungsschwankungen des Wanderers, flüstert zart, dreht donnernd auf. Doch wankt hier kein leidverliebter Suizid-Kandidat seinem Ende zu. Auf dieser Winterreise sind Sänger und Pianist als sichere Seelen-Seilschaft unterwegs.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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