Kurzkritik:Schön radikal

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Kammermusik-Konzert im Schwere Reiter

Von Rita Argauer, München

Wie umwerfend ein enges Zusammenspiel sein kann, zeigt sich im vierten Kammermusikkonzert der Reihe "Off Off" im Schwere Reiter. Sechs Musiker der Münchner Philharmoniker sowie der Pianist Paul Rivinius treffen sich in diesem außergewöhnlichsten Kammermusiksaal Münchens zu einem sperrigen, hinreißend mitnehmend musizierten Programm. Man merkt den Musikern die langjährige Orchestererfahrung an. Sie schaffen es, vor allem im großen Finalstück - Schostakowitschs 15. Symphonie im Arrangement für Klaviertrio und Schlagzeug -, ihr kultiviertes Zusammenspiel herausragend auf die kleine Besetzung zu übertragen.

Man beginnt jedoch noch aufgeteilt mit zwei zeitgenössischen Stücken des estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür. Erst das Duo "Synergie" für Violine und Cello und dann, attacca darauf folgend, "Motus II" für vier Schlagzeuger. Zwei verschiedene Arten von Zusammenhalt werden da in Relation gesetzt: "Synergie", das über Phrasierungen und Melodien den Weg von Leere zu Fülle und von klingendem Gegensatz der Instrumente zu wechselseitiger Ergänzung geht. Und das rhythmisch pulsierende "Motus II", dessen Zusammenhalt - ganz geschult am Minimal - der Beat ist. Hier fügen sich alle Schläge und alle Töne zuerst auf vier Marimbas, später auch auf Röhrenglocken oder einem konventionellen Schlagzeug-Set, zu einem Gesamtgebilde zusammen.

Was Kammermusik aber für eine synergetische Kraft bekommen kann, zeigt sich überragend nach der Pause: Die Bearbeitung für Klaviertrio und Schlagzeug der Schostakowitsch-Symphonie hat Mut zur Leere und Lust an Fülle. Diese Wechselhaftigkeit zwischen gemeinsamer Tutti-Kraft und zersplitternder Groteske, von Zitaten der Musikgeschichte, süßer Intimität und berstender Moderne, gerät in der Radikalität der herunter gebrochenen Besetzung dabei nahezu existenziell. Die Musiker spielen nah zusammen, die Musik erklingt intim, strukturell klar und emotional breit gefächert.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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