Kurzkritik:Schön belanglos

Lesezeit: 1 min

Tim Bendzko singt für alle in der Münchner Olympiahalle

Von Katharina Hinsche, München

Ach Mensch, war das ein netter Abend mit Tim. Und "Immer noch Mensch" ist Bendzko selbst auf jeden Fall auch. Das hat ja schon vergangenen Herbst der gleichnamige Titel seines neuen Albums versprochen, mit dem der blonde Lockenkopf nun seine Fans landauf, landab in gut gefüllten Konzerthallen besingt.

Als sich pünktlich gegen 20 Uhr in der mollig warmen Olympiahalle der kitschig- weiße Theater-Tüll-Plissee-Vorhang hebt und die professionelle Honigstimme aus Berlin - begleitet von seiner teilweise überlauten Band - anfängt seine Lieder zu singen, ist die "Ich bin ganz bei dir"-Atmosphäre perfekt und rund 5000 Zuschauer fangen begeistert an zu kreischen. Die Zuschauer, das sind an diesem Abend vor allem junge Mädchen und ältere, begeistert mitsingende Damen, die deren Mütter sein könnten.

Ja, der unschuldig dreinschauende Tim kriegt sie alle. Mit seinen leicht einprägsamen Texten und der ungekünstelt-aufgeweckten Art spricht er jedem mal mehr, mal weniger zufriedenen Normalo irgendwie aus der Seele, wenn er über die kleinen zwischenmenschlichen Themen unserer Zeit reflektiert. So widmet er allen, die gerade keinen Urlaub nehmen können, aber gern welchen hätten, seinen Song "Hinter dem Meer". Und "Winter" all jenen, die auch dafür sind, dass selbiger in München abgeschafft wird. Ach ja, und die traurigen 1860-Fans müssen ja auch noch untergebracht werden. Am besten in "Am seidenen Faden".

Bei "Nur noch kurz die Welt retten" schließlich stehen die Füße nicht mehr still und Bendzko dehnt die Nummer bis ins Unermessliche. Seine Message lautet "Hey, ist doch voll okay, so wie du bist. Und wenn dich was stört, dann änder' das doch einfach." Dass seine Songs keinen tieferen Sinn haben, stört ihn selbst am wenigsten. Ihnen fehlt es an Inhalt und auf beunruhigende Weise zelebrieren sie Stillstand und Selbstzufriedenheit. Und das bei einem, der behauptet, Kunst lebe davon, mutig zu sein.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: