Kurzkritik:Scharfkantiger Sibelius

Lesezeit: 1 min

Lisa Batiashvili und die Münchner Philharmoniker

Von Rita Argauer, München

Lisa Batiashvili trifft klare Entscheidungen. Daran lassen ihre interpretatorische Sicherheit und ihre scharfkantigen Striche keinen Zweifel. Und wenn die Geigerin nun mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Alan Gilbert Jean Sibelius' Violinkonzert spielt, hat sie sich ganz klar entschieden, diesem Stück sämtliche melancholische Rührseligkeit auszutreiben. Das gibt einen anregend sezierenden und gleichsam vehementen Blick auf diese Musik. Doch für ihre musikalischen Partner ist es nicht immer ganz einfach, diesen Wendungen, die sie in der Konsequenz dann manchmal auch gegen die Musik nehmen muss, zu folgen.

Der erste Satz beginnt leise, klanglich beinahe schabend, und Batiashvili setzt hier noch luftig und zart die Solostimme darauf. Doch in der Durchführung wird sie schneidender, woraufhin sich das Orchester zu einem ersten düster-dräuenden Tutti aufschwingt. Doch Gilbert dämmt diese Überwältigungsmomente ein und lässt Batiashvili den Platz für ihr sämtliche Sentimentalität aussparendes Spiel. So ist das Orchester in kühl gesetzte Zurückhaltung gezwungen, was für wunderbare Einzelmomente sorgt, sich aber in einer Gesamtlinie nicht immer ganz einlöst. Die Philharmoniker wirken ein wenig emotionsunterdrückt, schaffen aber daraus auch immer wieder reizvolle Spannungsfelder. Etwa zu Beginn des Adagios, wenn die Hörner und Fagotte bedrohlich schnarren und Batiashvili ihre Stimme kurz beschützend warm werden lässt. Oder wenn die kurzen, aber wogenden Tutti klanglich fahl bleiben. So strebt das Orchester konsequent Batiashvilis spröder Scharfkantigkeit nach. Die aber hätte einen orchestralen Gegenpol ab und an auch ganz gut vertragen.

Den gibt es erst im Anschluss ohne Batiashvili mit Elgars erster Symphonie. Spürbar genießt Gilbert hier die Fülle der Partitur, die schwellende Dynamik und den Fluss der Musik. Wogend und mit Lust am Drama erfüllt sich ein konsistentes Klangbild, dem sich Orchester und Dirigent bei Sibelius verweigerten.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: