Kurzkritik:Sägende Ekstase

Lesezeit: 1 min

20 Jahre "Apocalyptica": Feister Cello-Rock in der Philharmonie

Von Ralf Dombrowski, München

Es ist eine absurde Situation, und Eicca Toppinen weiß das ganz genau. "Als wir damals unser erstes Album aufgenommen haben", sagt der Cellist mit dem wehenden blonden Haar, "dachten wir, dass wir tausend Stück verkaufen, und das war's. Aber jetzt stehen wir hier!" Applaus brandet auf bis hinauf in Block P der ausverkauften Philharmonie, die Fans feiern den ehemaligen Studentenscherz als großes musikalisches Kino. Und das ist er in gewisser Weise auch. Denn der Moment der Ironie gehört bei Apocalyptica zum Bandkonzept, das die Finnen aber mit künstlerischer Ernsthaftigkeit präsentieren.

Für die Tournee zum Zwanzigjährigen ihres Debüts "Plays Metallica By Four Cellos" gesellt sich das Gründungsmitglied Antero Manninen wieder zu der zum Trio plus Live-Schlagzeug geschrumpften Band, der im normalen Leben in klassischen Orchestern sein Geld verdient. Im Unterschied zu Toppinen, Paavo Lötjönen und Perttu Kivilaakso verzichtet er auf Show und Posing, fügt den rüden Passagen zarte Melodien hinzu, ein ausgleichendes Element im Cocktail der Kontraste. Überhaupt haben die Cello-Metaller, die in der zweiten Konzerthälfte von Schlagzeuger Mikko Sirén unterstützt werden, Dramaturgie, Musik und sogar den Sound des Abends souverän im Griff.

Im Unterschied zu vorangegangenen Konzertreisen konzentrieren sich Apocalyptica auf Lieder von Metallica. Die Musiker entkernen und entschlacken die Originalstücke, spielen mit dem Pathos der V-beinigen Gitarristen-Stellungen und headbangenden Gesten der Ekstase, um auf der anderen Seite mit dem gleichen Spaß die Wucht der sägenden Akkorde und Tonsalven zu genießen. Was eigentlich als Wegweiser aus den Konzertsälen der klassischen Bürgerlichkeit hinaus gedacht war, kehrt gut gelaunt und nur ein klein wenig wild in die hehren Hallen zurück, mit etwas Finster-Kajal im Gesicht und einem Totenkopf auf dem T-Shirt - aber letztlich mit der Botschaft, die Musik als energetisches Mysterium zu feiern. Und das ist so weit von den Alten nicht entfernt.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: