Kurzkritik:Reiz des Kargen

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Rosalie und Wanda bringen die Milla zum Schweigen

Von Ralf Dombrowski, München

Wenn es im in die Katakomben des Glockenbachviertels gegrabenen Milla Club hinten an der Bar ruhig wird, dann hat es ein Künstler geschafft. Bei Rosalie und Wanda war es etwa nach einer halben Stunde soweit, dass die ewigen Plauderer der Szene eine Zeitlang verstummten. Denn "Geh weiter" führte die Sängerin und Songwriterin Rosalie Eberle, den Gitarristen Sascha Biebergeil und den Bassisten Rene Haderer musikalisch soweit von den Bühne fort, dass die Zuhörer mit dem Trio zu fliegen anfingen. Nicht, dass in den Texten viel erzählt würde. Gerade "Geh weiter" oder auch das Titelstück der zweiten Band-CD "Schlafende Hunde", die bei dieser Gelegenheit vorgestellt wurde, sind eher Assoziationen als Geschichten.

Eberle versteht sich als Rhapsodin, die gedanklich Offenes, manchmal auch Unfertiges in den Raum stellt, damit die Menschen sich ihre eigene Bilderwelt dazu gestalten. Sie verzichtet auf komplizierte Arrangements, die dem freien Fluss der Gedanken und Gefühle eher entgegenstehen würden. Die Lieder von Rosalie und Wanda befinden sich quasi im Rohbau potenzieller Gestaltung, ohne Schlagzeug und dominantem Beat, dafür vom Folk geprägten Gitarren und dem heimeligen Wummern des Kontrabasses getragen, bis hin zu dissonanten Momenten, die die Idee der Harmonie vorsichtig in Frage stellen. Gerade dieses Spiel mit den Haltungen, mal selbstbewusst, mal fragil, nachdenklich, manchmal auch ein wenig somnambul sich im Flow der Pickings wiegend, mögen die Leute. Es sind die Momente, wo es hinten im Club ruhiger wird.

Für Rosalie Eberle, die Bardin aus dem Chiemgau, die bereits andere Projekte wie Wanda und Jakob an den Start gebracht und einst ein paar hundert Meter Luftlinie weiter an der Münchner Musikhochschule Jazzgesang studiert hat, ist dieses Spiel mit der Reduktion der eigentliche Reiz. Es hat bereits dafür gesorgt, dass ihr Debüt vor zwei Jahren vom kargen Charme des poetisch Unmittelbaren geprägt war. Und es ist auch der Grund, weshalb ihre "Schlafenden Hunde" es durchaus schaffen könnten, einen weiteren Kreis der Tagträumer zu erreichen als bisher. In der Milla jedenfalls ist Rosalie Eberle mit ihrer Botschaft des folkloristisch Rudimentären bereits angekommen.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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