Kurzkritik:Reine Freude

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"Giulio Cesare" in der Reaktorhalle

Von Klaus Kalchschmid, München

Alle gegen Einen: in der Reaktorhalle geht das ganze Ensemble nach der Pause des "Giulio Cesare in Egitto" witzig und präzise kollektiv fechtend auf den jetzt stummen Cäsar los (sonst agil präsent spielend und singend: Susan Zarrabi), während Bariton Niklas Mallman "Al lampo dell'armi - im Schein der blitzenden Waffen" mit viriler Verve von der hinteren Beleuchterbrücke singt. Die Titelpartie ist raffiniert geteilt, was in Waltraud Lehners kluger, prägnanter Inszenierung schillernd ausgereizt wird, etwa wenn ein Dacapo plötzlich männlichen Nachdruck bekommt oder die Stimmen sich wie zwei Seelen in einer Brust begegnen. Zum glücklichen Ende verschmilzt der substanzreiche Sopran Milena Bischoffs als Cleopatra mit Susan Zarrabis Mezzo, während in den dialogischen Partien des Duetts der Bariton eine Oktav tiefer mit dem Sopran kontrastiert.

Die Bühne (Ulrich Frommhold) ist abstrakt dem Korpus eines Streichinstruments nachempfunden. Dessen Öffnung wird zum Auge Cleopatras, wenn sie bei "V'adoro, pupille" Cäsar im Paradies erscheint - hoch oben zur Begleitung von Instrumenten plus sanftem Hackbrett, das fortan ihr Instrument wird. Katherina Kopp hat sie verführerisch kostümiert und auch sonst die allesamt exzellenten Sänger der Musikhochschule trefflich einkleidet: Neben Ansgar Theis (Curio), Ilme Stahnke (Nirena) und Frey Apfelstaedt (Tolomeo) überzeugen Carmen Artaza als hitzig flammender Sesto und Mirjam Künstner als seine über den Mord am Gatten musikalisch reiche Trauer tragende Mutter Cornelia. Der oberste ägyptische Feldherr Achilla ist beim stimmlich wie szenisch präsenten Bass Frederic Jost eine schillernde, erotisch wie emotional getriebene Figur.

Phänomenales leistet nicht zuletzt das kleine Barockorchester des Instituts für Historische Aufführungspraxis unter Leitung von Kristin von der Goltz. Es offenbart den Reichtum von Händels schönster und bester Oper mit einer Frische, Leuchtkraft und Präzision, dass es die reine Freude ist.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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