Kurzkritik:Nur Gefühl

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Hrachuhí Bassénz triumphiert als Bellinis "Norma" in Nürnberg

Von Egbert Tholl, Nürnberg

Der beste Moment dieser Aufführung ist das Finale des ersten Akts. Es ist die Szene, in der Norma, Adalgisa und Pollione darüber diskutieren, wer jetzt im Moment wen hasst oder liebt: Du kriegst die Kinder nicht, ich mag dich nicht mehr, ich liebe dich, ich liebe wen?, der Zorn befiehlt mir, die Liebe ist das letzte Gebot, Rache, Rache, Rache. So in etwa, ein Terzett, also die Gleichzeitigkeit widersprüchlichster Emotionen, wie es nur in der Oper geht. In dieser Szene ist der als Tenor eher unglücklich eingesprungene Joska Lehtinen auf einmal ungeheuer lebendig, Ida Aldrian gibt als Adalgisa ihre Zurückhaltung auf und die Norma, gesungen von Hrachuhí Bassénz, ist eh eine Wucht.

Stéphane Braunschweig inszeniert Bellinis "Norma" am Staatstheater Nürnberg. Vor acht Jahren vollendete Braunschweig, der mal einen tollen "Woyzeck" am Bayerischen Staatsschauspiel gemacht hatte, seinen "Ring" in Aix-en-Provence. Nun hat man stark den Eindruck, dass sich an seinem Inszenierungsstil grundsätzlich wenig geändert hat. Klare Bilder, man sieht, was man hört, Punkt. Es gibt den Anflug einer politischen Dimension mit der leichten Andeutung, die Gallier seien Partisanen. Aber das hat man in Stuttgart oder auch Salzburg schon viel, viel zwingender gesehen. Nein, alles ist privat, erlesen, ein Bunker und ein heiliger Bonsai im Glassturz, tolle Schatteneffekte - und eine äußerst gediegene Langeweile. Belcanto entbehrt in seiner Künstlichkeit einer höheren Psychologie; lässt man ihn einfach passieren - wie im Duett Pollione-Adalgisa im zweiten Akt - kann es auch mühsam werden. Sehr mühsam. Zumal Volker Hiemeyer, der an diesem Abend die Leitung vom Nürnberger Musikchef Marcus Bosch übernimmt, wenig Spielraum für eigene Gestaltung hat, es knallt oder säuselt.

Aber: Hat man eine Adalgisa von der Anmut und Wahrhaftigkeit Aldrians und eine Norma von der dramatischen, sich im Laufe des Abends immer mehr steigernden Wucht Bassénz', dann ist das wahrscheinlich alles wurscht.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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