Kurzkritik:Nicht Tisch, nicht Fleisch

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Viele Ideen, wenig Geschick: Malte Knippings und Wowo Habdanks Performance "Phantasie ist auch keine Lösung" im Schwere Reiter

Von Sabine Leucht, München

Irgendwann, der Mann auf der Bühne hat schon eine ganze Weile Tischplatten abgeklopft oder gestreichelt, eine Axt in Holzspalten knarzen lassen und mit diesen Tischgeräuschen der anderen Art Tonspur um Tonspur gefüttert, meint man im "Mucca" die Zeit und den Wind durch ein altes Haus jagen zu hören. Es ächzt, jammert, kläfft und juhuchzt, dann rumpelt und rast etwas über imaginäre Schienen. Und der erste Teil von Malte Knippings und Wowo Habdanks musikalisch-performativem Annäherungsversuch an die Beziehung zwischen Menschen und Dingen klingt mit einem leisen Gurgeln aus.

Jede Menge ungerichtete und unnötig ausufernde Aktivität gab es bereits in diesem neugierig machenden Beginn, aber noch ahnt man nicht, dass man es bei "Phantasie allein ist auch keine Lösung" mit einem immer ratloser in seinen Quellen und Materialien herumstochernden Abend zu tun hat, der eine Idee nach der anderen auswalzt, ohne sie ästhetisch oder gedanklich miteinander zu verbinden. Klar, die Tische, die Habdank immer wieder hin und herschiebt und von denen er schließlich einige zerhaut, bleiben optisch wie thematisch stets zentral. Der Rest aber wirkt wie eine Nummernrevue ohne Sensation, dafür mit viel Geheische und im Verlauf auch mit viel Text. Doch die erst in atemlosem Hochdeutsch und dann auf Bayerisch rezitierten Passagen aus Peter Bichsels Kurzgeschichte "Ein Tisch ist ein Tisch" - in der ein Mann alle Alltagsgegenstände umbenennt und sich über seine Phantasie freut, bis sie sich als Bumerang erweist, der als Entfremdung zu ihm zurückkommt - weisen hier ebenso wenig über sich hinaus wie die final zum Nachwürzen gestreuten Gedanken, die Habdank sich bei Hartmut Rosa, dem "Müdigkeitsgesellschafts"-Philosophen Buyung-Chul Han und Marina Abramovics stummer Begegnungs-Performance "The Artist is Present" leiht. Da wird derart verhuscht Sinn nachgereicht, dass es einem diesen "universellen Abend" endgültig vergällt. Statt eines definierten Schlusses gibt es noch den Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Publikum. Aber wenn es darum hätte gehen sollen, als Gegengewicht zur Einkapselung von Bichsels tragischem Individualisten Resonanz herzustellen und Beziehung zu praktizieren, dann stimmen hier weder die Gewichtung noch das kommunikative Geschick.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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