Kurzkritik:Nett, aber brav

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"Jazz und Texte" mit Tramitz und Co im Clap Club

Von Oliver Hochkeppel, München

Eigentlich kann da nichts schiefgehen: Mit Helmfried von Lüttichau und Christian Tramitz gab's zwei prominente ("Hubert und Staller") und lässige Zugpferde mit Erfahrung im komischen Fach. Einer las schräge Weihnachtsgeschichten, der andere Robert-Gernhardt-Gedichte. Dazu spielte das Trio von Nicolas Geremus, geborener Tramitz (ja, es ist der jüngere Bruder) Salonjazz. Alles obendrein von der Sensation des Neuen umrankt, war es doch einer der ersten Abende des "Clap Clubs", bei dem drei junge und rührige Kulturkreative mit Referenzen von La Brass Banda bis "Sing, Matröse, sing" das Arri Studio 2 in der Türkenstraße in einen hippen Underground-Laden verwandeln.

Es ging auch schön los, mit gepflegtem gegenseitigen Ausrichten von Tramitz und von Lüttichau. Man habe sich grundsätzlich nicht einigen können, Maßgabe sei nur "keine eigenen Gedichte" gewesen - Lüttichau dichtet bekanntlich auch selbst. Tramitz begann dann mit der ersten Weihnachtsgeschichte "Meine erste Revolution" von Gerhard Polt, die schon deshalb der perfekte Einstieg war, weil die beschriebene Rache an den Studenten-Nikoläusen aus dem Jahr 1949 quasi genau hier, an der Ecke Türken/Schellingstraße spielt. Von Lüttichau las fast etwas spröde Gernhardt-Kleinode, von Größenwahnsinnig-Selbstironischem ("Mein Stil") über Zweckfrei-Lustiges bis zu Prophetisch-Politischem ("Gastarbeiter" von 1962 etwa oder die Irakkrieg-Sonette, in denen Syrien vorweg genommen wird). Das Geremus Trio konterte mit einem swingenden "Santa Clause Is Coming To Town", mit Django-Reinhardt-Stücken oder mit "Bei mir biste scheen" im Klezmer-Jazz.

Freilich, trotz all der schönen Texte und Stücke plätscherte es dann doch ein bisschen dahin. Vielleicht, weil die Musiker bis auf den famosen Gitarristen Hans Trinkl nicht ganz verleugnen konnten, dass sie doch eher in der Klassik als im Jazz zu Hause sind. Weil es insgesamt doch etwas sehr brav und gepflegt zuging. Weil man an der einen oder anderen Stelle doch gerne irgendeinen Hintergrund zum Stück oder zum Text erfahren hätte. Vor allem aber, weil einem die Interaktion zwischen den drei jeweils en bloc vortragenden Parteien fehlt. Und wenn's ein "gespielter Sketch" gewesen wäre.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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