Kurzkritik:Narziss im Netz

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Die Video-Oper "Sharepool" im Schwere Reiter

Von Klaus Kalchschmid, München

Das fulminante Finale der Video-Oper "Sharepool" wäre in den Social Media wohl sofort gesperrt worden und ist auch nicht ganz jugendfrei, dafür aber herrlich ironisch anzüglich. Denn da bevölkern mit Mützchen, Schals, Mäntelchen, Hosen, Sonnenbrillen und allerlei sonstigen Accessoires ausgestattete lebensechte Dildos unterschiedlichster Größe, Qualität und Schönheit in Endlosschleife die große Leinwand des Schwere Reiter. Sie illustrieren, wie weit es kommen kann, wenn ein moderner Narziss im Netz seine Attraktivität und Männlichkeit ins beste Licht rücken will. Da hat "N" seine Internet-Bekanntschaft, mit der er ausführlich im Schnee tollte, Sex hatte und die große Liebe "in einer Million Bilder" beschwor, schon verloren ob des eitlen Postings eines "Dick Pic". Knappe anderthalb Stunden und 51 kurze Sequenzen lang ist "Sharepool", in Zehnerblöcken komponiert von Tom Smith, Jacopo Salvatori, Alexander Mathewson, Hans Henning Ginzel und Samuel Penderbayne. Er ist auch als Dirigent für das Konzept und, zusammen mit Mathewson, für das englische Libretto verantwortlich, das immer wieder am ominösen "Like" oder "Share", an "Look", "Smile" oder "Lovely" festklebt.

Während auf der Leinwand allerlei schnell überblendete, immer wieder wechselnde (Profil-)Bilder des Bassbaritons Gustavo Castillo als N = Narziss und später auch der Sopranistin Maria José als E = Echo vorbeifliegen oder Chats eingeblendet werden, singen sich die beiden ebenso konventionell wie wortreich und selbstverliebt durch die Video-Oper, für deren Bilder Thomas Geissl und Annika Sehn einstehen.

Die hervorragenden Mitglieder des Breakout Ensembles - Serena Aimo (Flöte) und Silvan Kaiser (Saxofon), der Pianist Tom Smith oder Cellist Hans Henning Ginzel - ziehen in das Geschehen eine weitere, trotz der fünf Komponisten erstaunlich homogene und selbständige Ebene ein, die zum Spannendsten des sonst leider wenig zielgerichteten Abends zählt. Denn auch die penetranten Filmloops bleiben, bei allem Witz einzelner Sequenzen wie dem überblendeten Aufmarsch von schmucken Armeen zur Parade, als Bild eines kollektiven Narzissmus ästhetisch wie inhaltlich doch eher eindimensional

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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