Kurzkritik:Musikalische Essenz

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Clemens Schuldt, künftiger MKO-Chef, leitet dessen "Songbook"-Konzert

Von Egbert Tholl, München

Der Andrang ist gewaltig, die Gründe dafür sind vielfältig. Die Konzerte des "MKO Songbook" bilden eine Reihe konzentrierter Beschäftigung mit zeitgenössischer Musik im Schwere Reiter, das zum einen. Nun leitet dieses Konzert Clemens Schuldt, der mit 33 junge, jugendliche und muntere designierte Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters, das er von Herbst an leiten wird, wobei er hier bei zweien der vier Stücke nicht benötigt wird. Und schließlich die Stücke selbst: David Fennessy hat gerade die Münchner Musiktheaterbiennale mit "Sweat of the Sun" eröffnet, nun kann man "Hirta Rounds" hören, eine Studie für 16 Streicher, deren Komposition zumindest als Derivat in die Oper eingeflossen war. Und den Abschluss des Konzerts bildet "Sky limited" von Milica Djordjević, die gerade den Siemens Komponisten-Förderpreis erhalten hat.

Dazwischen: Die Uraufführung von Nikolaus Brass' "Sei Nacht zu mir", eine quasi Lachenmann'sche Vertonung eines Gedichts von Said für Counter (Michael Hofmeister), Sprechstimme (Ruth Geiersberger) und zwei Geigen (Daniel Giglberger und Max Peter Meis) - hermetische Poesie mit ganzheitlich humaner Grundierung. Und: "Cassiopéia" von Minas Borboudakis, eine großartige Nummer zwischen Maschinenmusik - Richard Putz am Schlagwerk - und fettem Melos, wunderbar mitreißend und das einzige Stück des Abends, in dem man wirklich eine Ahnung bekommt, was Clemens Schuldt will. Und das ist wahrlich nicht schlecht: Klare Motorik, kein Pathos aber musikantische Leidenschaft - Kammerorchester halt.

"Hirta Rounds" beschwört den Geist einer verlassenen Insel vor der Küste Schottlands - und tatsächlich klingt das elaborierte Stück, als wehe der Wind durch die Ruinen der Häuser. Dabei erlebt man 16 Streicher in autonomer angeregter Kommunikation. Ähnlich wie in "Sky limited", dort aber unter Anleitung von Schuldt. Djordjević arbeitet mit vierteltönigen Verschiebungen, mit Geräusch, Ächzen und Knarren, mit hoch konzentrierten An- und Abschwellungen, die auf ein grandios dramatisches Ende zusteuern. Es wirkt, als müsse man um jede konkrete Geste ringen. Faszinierend.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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