Kurzkritik:Mit Schmäh

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Kaufmann und Tézier beim Festspiel-Gala-Konzert

Von Barbara Doll, München

Am Ende stehen da zwei kultivierte Gaudiburschen auf der Bühne und schmachten einander singend an. Sie grinsen verstohlen, mit feiner Ironie und Spaß am Sprachkitsch: "Ich möchte deinen Atem trinken und betend dir zu Füßen sinken. . .!" Es ist großartig, wie sich helles und dunkles Timbre mischen, wie die Sänger ihren Stimmbombast auffahren - noch großartiger aber ist es, wie sie diese Musik an der Kitschgrenze mimisch zelebrieren, subtil und äußerst parodiebegabt. Jonas Kaufmann und der französische Bariton Ludovic Tézier singen beim Festspiel-Gala-Konzert in der Staatsoper als dritte Zugabe "Dein ist mein ganzes Herz" aus dem "Land des Lächelns". Davor haben sie sich durch die emotionalen Extremzustände sämtlicher Arien und Duette hindurchgesungen, mit Verdi-Schwerpunkt. Duftig und triumphal klingt dieser Verdi schon in der "Nabucco"-Ouvertüre, mit der das Staatsorchester unter Marco Armiliato den Abend eröffnet - doch die Sänger glänzen nicht nur mit Verdi-Dramatik.

Das Duett "O Mimì, tu più non torni" aus Puccinis "La Bohème" gestalten sie geschmeidig und noch etwas zurückhaltend. Danach dreht Ludovic Tézier in der Arie "Nemico della patria" ("Andrea Chénier") mit vollem Bariton-Pathos auf. Seine Stimme kann sehr laut und sehr schwer werden; Volumen und Farben steuert er jedoch hervorragend und zeichnet ein ehrlich beklommenes Seelenporträt. Dafür kassiert er so viel Jubel wie Jonas Kaufmann mit der zauberhaft entrückten Arie "Cielo e mar" aus Ponchiellis "La Gioconda" und "È la solita storia del pastore" aus Cileas "L'Arlesiana": Mit Verismo-Innigkeit spannt er eine weite Gesangslinie vor arkadischer Orchester-Idylle auf. Kaufmann singt anrührend, Kaufmann singt wundervoll - egal, ob seine Höhe nun etwas hohl klingt oder nicht.

Die Verdi-Duette ("Don Carlo", "La forza del destino") zeigen, dass das Sängergespann gut ausgewählt ist: Tézier liefert unangestrengte dramatische Kraft, Kaufmann lyrische Eleganz und Lust am Nuancieren.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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