Kurzkritik:Millimetergenau durchleuchtet

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Das Duo Fischer und Avdeeva im Prinzregententheater

Von MICHAEL STALLKNECHT, München

Am Ende bekam den ersten Blumenstrauß die Pianistin, erst den zweiten die Geigerin - ein versehentlicher Tausch wohl in der üblichen Reihenfolge, der einem großartigen Duo-Abend dennoch vollkommen angemessen war. Denn die Geigerin Julia Fischer und die Pianistin Yulianna Avdeeva, auf einer großen Tournee nun in ihrer gemeinsamen Heimatstadt München angekommen, sind einander technisch und musikalisch in einer Weise gewachsen, die man in dieser Formation nicht immer hört. Gespickt mit Virtuosenexzessen aller Art, ist ihr Programm im Prinzregententheater, das mit Dmitri Schostakowitschs Violinsonate op. 134 aus dem Jahr 1968 endet - kein gefälliges Werk also zum Abschluss, sondern ein sperriges, dessen kühne Konstruktion Fischer und Avdeeva in äußerster Klarheit auf den Punkt bringen.

Dass bei beiden Musikerinnen der Formsinn ebenso ausgeprägt ist wie die Virtuosität, hatte man davor schon hören können. So verwandelten sie Brahms' zweite Violinsonate in A-Dur in ein exquisites Stück Kammermusik von intimer Textur. Der üppige Satz des Komponisten ballt sich nicht zu hyperromantischem Schwelgen, sondern wird millimetergenau durchleuchtet. Immer wieder nehmen Fischer und Avdeeva die Phrasen ins Piano zurück, legen auf diese Weise den strukturellen Bau frei, ohne dass der große Fluss verloren ginge. Auch der Impressionismus der nachfolgenden "Mythen" op. 30 von Karol Szymanowski bedeutet für sie keine Aufforderung zu einem vage kolorierenden Ungefähr, sondern gerät zum durchdachten Abschattieren von vielfältigen Farbvaleurs.

Und dennoch entsteht dabei keine kühle Analyse, sondern werden die antiken Mythen unmittelbar bildhaft, die Szymanowski seinen "Drei Gedichten" im Jahr 1915 eingeschrieben hat. Von der Geige forderte er dafür eine ganze Reihe ungewöhnlicher Spieltechniken. Julia Fischer integriert sie mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit in ihren gewohnt brillanten Klang, dass man sie danach gern einmal häufiger auch mit Werken des späteren 20. Jahrhunderts hören würde. Mutig aber für die gängigen Verhältnisse ist schon dieses Programm - und erobert sich bei solcher Umsetzung die Euphorie des Publikums von selbst.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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