Kurzkritik:Meisterhaft

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Tamar Beraia in der Allerheiligen-Hofkirche

Von Rita Argauer, München

Vielleicht liegt es an Tamar Beraias Klavier-Duo-Erfahrung. Die 28-jährige Georgierin blickt neben ihrer Solo-Karriere auf einen langen Weg im Duo mit ihrer Schwester Natia zurück. Und vielleicht hat sie da ihre unfassbare Genauigkeit in der Phrasierung gelernt. Wenn man sich im Spiel auf einen Partner einstellen muss, muss man sehr präzise sein; nicht nur, indem man die richtigen Noten spielt, sondern auch im Ausdruck. Und darin zeigt sich Tamar Beraia solo in der Allerheiligen-Hofkirche als Meisterin.

Schon Ludwig van Beethovens G-Dur-Sonate, op. 14, Nr. 2, spielt sie in nahezu perfekter Ausgestaltung. Den Bass lässt sie zu Beginn wogen, das Thema des Kopfsatzes setzt sie klar und federnd, aber nicht keck darauf, die Genauigkeit mit der sie diesen Ausdruck in der Reprise wiederholt, ist schlicht fantastisch. Den zweiten Satz beginnt Beraia mit einem warmen, fast zitternden Staccato; ein schöner Gegensatz zum fließenden Duktus. Und farben- und kontrastreich gestaltet sie weiter, ohne dass die Gegensätze ihres Ausdrucks in pompöser Manier aneinander knallen. In Beethovens Eroica-Variationen, op. 35, treibt sie ihr Talent für werksüberblickende Phrasierung auf die Spitze: Zwischen den 15 Einzelvariationen setzt sie kaum bis gar nicht ab - dennoch kann man ihren musikalischen Gedanken problemlos folgen. Das ist nicht nur ein technisch hoch virtuoses Spiel, sondern auch intellektuell.

Mit Maurice Ravels "Gaspard de la Nuit" beschließt sie ihr Konzert. Der technische Aberwitz wird dabei sekundär, bei Beraia hört man plötzlich eine fern verklungene romantische Eleganz unter dem Impressionistischen, ihre Fähigkeit, Stimmen zu differenzieren, erreicht hier einen weiteren Höhepunkt. Ein großes Konzert, das den Wunsch weckt, diese Künstlerin bald mit Musik verschiedener Epochen wieder zu hören, nur um zu wissen, was sie so bei Mozart heraushört oder welche Linien sie bei Bach entdecken würde. Als Zugabe gibt es noch Franz Liszts Paganini-Bearbeitung "La Campanella" - und die klingt bei Tamar Beraia modern, schillernd, etwas zerbrochen und nie eitel.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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