Kurzkritik:Liszt und Leberkäs'

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Die Pianistin Alice Sara Ott im Prinzregententheater

Von Andreas Pernpeintner, München

Wer den außergewöhnlichen Klavierabend von Alice Sara Ott im Prinzregententheater erlebt hat und zur glücklichen Mehrheit jener gehört, die es begeistert von den Sitzen hob, wird vielleicht nicht verstehen, dass es schwerfallen kann, über diesen Abend zu schreiben. Doch genau das kann passieren.

Der Reihe nach: Alice Sara Ott, jetzt Wahl-Berlinerin, gibt ein Konzert in ihrer Heimatstadt und hat jüngst nicht nur eine Taschenkollektion entworfen (das Programmheft informiert), sondern auch eine neue CD aufgenommen. "Wonderland" heißt sie und ist der Musik von Edvard Grieg gewidmet. Eine Traumwelt seien die Miniaturen der "Lyrischen Stücke", sagt Ott und ermuntert einen, sich darauf einzulassen. Und wirklich, das stimmungsvoll farbig gedimmte Licht, Otts lang fallendes Märchenkleid und natürlich ihr genießerischer, dabei nie schwülstiger, leicht parlierender Ton führen dazu, dass man sich treiben lassen kann. Da ziehen "Schmetterling", "Elfentanz" und "Kobold" vorüber, da spukt in den Gedanken allerdings auch noch ein wenig die Leberkässemmel herum, die sofort nach der Landung in der Heimat verspeist zu haben Ott berichtet. Edvard Griegs g-Moll-Ballade op. 24 ist herber - aber nichts gegen das, was folgt: Franz Liszts h-Moll-Sonate.

Die sei, gesteht Ott, für sie das aufwühlendste Bühnenerlebnis. Sie kehrt im schwarzen Kleid zurück, der Saal wird vollkommen verdunkelt. Nur ein Spot bleibt, er beleuchtet die Klaviatur und die Hände der Pianistin, schemenhaft ihr Gesicht. Man kann diese abgründige Sonate nicht besser einfangen. Und nicht schlechter. Denn dieser visuelle Fokus auf hellbeleuchtete Hände und Klaviertasten in der Dunkelheit (samt Spiegelbild im Klavierdeckel) ist schrecklich stark. Da sind vier Hände, die auf zwei Klaviaturen mit aberwitziger Virtuosität eine Sonate zusammenfalten. Eine laute Pantomime. Dabei geht es Ott definitiv um etwas ganz Anderes: darum, alles auszublenden, was nicht Musik ist. Sie ist damit gescheitert, denkt man.

Dann verebbt die Sonate leise. Es gibt kein Räuspern, kein Husten. Gebannte Stille. Das Licht geht an, Alice Sara Ott ist zutiefst ergriffen. Sie und die Zuhörer, denen es ebenso geht, sind's nicht, die gescheitert sind.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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