Kurzkritik:Liebe und Eifersucht

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Bariton Benjamin Appl in der Allerheiligen Hofkirche

Von Klaus Kalchschmid, München

"Die schöne Müllerin" wird wohl deshalb seltener aufgeführt als die "Winterreise", weil man letztere für komplexer hält und die erste, unerfüllte Liebe des naiven Müllersburschen am besten aufgehoben ist bei einem jungen Tenor. Benjamin Appl ist jung, wenn auch Bariton, aber einer mit einem hellen Timbre und einer überaus schönen, tragfähigen Höhe. Feinsinnig benutzt Appl in der Allerheiligen Hofkirche diese bereits beim ersten Lied zu dynamisch ganz unterschiedlichen Abtönungen der zentralen Worte "Wandern", "Räder" oder "Steine".

Fast ist man als Hörer froh, dass Benjamin Appl zunächst eine direkte Identifikation mit diesem vielleicht gerade mal 17-jährigen Buben vermeidet und Distanz wahrt, wenn er etwa vokal dezidiert in die Rolle des Meisters schlüpft ("Euer Werk hat mir gefallen") oder in die des Mädchens ("Allen eine gute Nacht", "Es regnet, ich geh nach Haus"). Man möchte diesen jungen Kerl rütteln und schütteln, der sich in eine absurde Verliebtheit und Eifersucht hineinfantasiert und geradezu obsessiv in das Fließen und die Bläue des Baches vernarrt ist, der ihn am Ende unmissverständlich zu sich holt.

Mit seiner flammenden Rede gegen den Jäger als vermeintlichem Nebenbuhler ist dieser Kerl bei Benjamin Appl umso mehr außer sich und aggressiv, bevor gleich wieder Melancholie und Selbstmitleid dominieren. Vom Ende des vorletzten Liedes an ("Ach unten die kühle Ruh!") muss man einem langsamen Verdämmern zuhören, das der junge Oberpfälzer mit Grandseigneur Graham Johnson am Flügel bis an den Rand des Verstummens bringen.

Auch wenn es leichte technische Defizite gibt, etwa was die Tragfähigkeit des Pianos in der Mittellage angeht, und der Trauerflor allzu düster erscheint, mit dem Pianist und Sänger, verhaltene Tempi bevorzugend, die Lieder oft umgeben, waren Detailreichtum des Singens, der Mut zu dezidierter Gestaltung und die ausgefeilte, wortverständliche Deklamation geradezu vorbildlich.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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