Kurzkritik:Lebenskunst

"Moses" - ein Theaterprojekt der Staatsoper mit Jugendlichen

Von Rita Argauer, München

Die Aufgabenstellung ist einfach: Der Bezug des biblischen Auszugs der Israeliten aus Ägypten zu den Schicksalen aktuell Geflüchteter bietet sich an. Daraus ein theaterpädagogisches Projekt zu knüpfen, in dem Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund zur von Rossini inspirierten Musik jugendliche Lebendigkeit und religiöse Themen verhandeln, birgt jedoch Tücken. Der Grat zwischen einem Selbsterfahrungstrip der Akteure und einer Aufführung mit theatralem Mehrwert ist schmal.

Im Rennert-Probensaal der Bayerischen Staatsoper steht mittig ein vieleckiges Holzgerüst, das mit seinen verschachtelten Plattformen wie ein Sinnbild für die "Festung Europa" wirkt, die hier zum "Land, in dem Milch und Honig fließen" wird. Wenn sich nun die 30 Jugendlichen im Staatsopern-Projekt "Moses" unter der hervorragenden Regie von Jessica Glause zu einem eben so vielstimmigen wie einheitlichen Ensemble erheben, bekommt das eine besondere Kraft. Glause vermischt Bibelstellen und Jugendsprache, persönliche Erfahrungen und Allgemeingültiges zu einem stimmigen Libretto. Dass dabei schon zu Beginn auf flirrende Geigen und wüst drängende Percussion das grundlegende Paradigma "Auch wir!" durch rhythmisches Sprechen verfremdet wird, enthebt die Aufführung jedoch der Theatertherapie und wird zur Theaterästhetik.

Komponist Benedikt Brachtel, der Rossini mit Hip-Hop und Chor mit Rap zu einer hinreißenden Partitur verschmilzt, passt die musikalischen Anforderungen an das Können der Jugendlichen an. Unterstützt von Profi-Musikern, gelingt so ein herausragender Abend, der das Leben seiner Akteure durch streng überdachte Detailarbeit zur Kunst macht, die das Leben berührt.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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