Kurzkritik:Lange her

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Rick Kavanian lässt sein Publikum ratlos zurück

Von Thomas Becker, München

Der Bart ist ab. Nur ein bissl Schnauzer ist vom Henriquatre geblieben. Sonst sieht er aus wie immer, der Rick: brave Frisur, dezente Brille, gewinnendes Lächeln. Seine Kunst könnte man aber auch mit geschlossenen Augen genießen, als Blindverkostung. Nur eine Sekunde braucht das Stimmwunder, um die verschiedenen Charaktere vor das innere Auge seiner Fans zu holen: König Bussi, Jens Kasirske, Grandmaster Löffler und all die anderen Klangereignisse, von und mit denen Rick Kavanian seit Jahren lebt. Auch im vierten Solo-Programm "Offroad" dauert es keine zwei Minuten, bis Rick nicht mehr als Kavanian spricht, sondern Zuflucht bei einem alten Bekannten sucht: dem allseits beliebten Dimitri Stoupakis. Ab nach Hause, in den sicheren Hafen!

Richard Horatio Kavanian sollte Staatsanwalt, wollte Kinderarzt werden, doch geworden ist er: der Mann der tausend Stimmen. Genau genommen waren es im Lustspielhaus 48 Stimmen, nicht dazu gerechnet das gute Dutzend Geräusche: vom startenden Flugzeug über die galoppierende Giraffenherde und das spanische Radio bis zum Dschungel-Sound. Er gibt es ja zu: "Ich bin verliebt in den Klang von Worten." Nur wollen die halt auch mit Inhalt gefüllt sein - und da wird es dann eher dünn.

Heute dem Brummbass von König Bussi oder dem Klatschkaffee-Quatsch von Dimitri zu lauschen ist für Fans der "Bullyparade" und der folgenden Kino-Hits ein nostalgisches Fußbad. Pavel Pipovič, Ziegenpeter, Feldmarschall, DJ Sugarfly, Schrotti, Pulle und Mr. Solo: Was war das für ein Spaß. Verdammt lang her. Die letzte "Bullyparade" lief 2002, der Nachfolger "Bully & Rick" bis 2006. Kavanian emanzipierte sich vom übermächtigen Freund - auf der Kabarettbühne. Spielte Viel-Personen-Stücke mit ein wenig rotem Faden. Davon will er sich nun lösen. Vorab hieß es: "Im neuen Programm muss Rick den geraden Pfad der Unterhaltung verlassen, um endlich zu Rick zu finden. Nicht weil Rick das möchte oder etwa das Publikum so was erwartet. Nein, Rick ist jetzt 44, und das ist genau die Anzahl an Möglichkeiten, um das Haus vom Nikolaus zu lösen."

Auch nach zwei Stunden "Offroad" ist man etwas ratlos, was der Autor uns denn sagen wollte. Anscheinend nicht so viel, denn Geschichten vom letzten Urlaub, der letzten OP und dem ach so komplizierten iPhone erzählen sich auch Krethi & Plethi. Aber dem lieben Rick verzeiht man auch das. Hauptsache er lässt ab und an den Bussi brummen, den Jens Maul sächseln und Kaspürlü "Spritzgebäck" sagen. Danke Pavel, Servus Publikum!

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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