Kurzkritik:Klangrausch

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Die Philharmoniker mit Bruckner, Berg, Salonen und Janine Jansen

Von Egbert Tholl, München

Janine Jansen ist sehr weit weg. Seit die Münchner Philharmoniker auf Initiative von Valery Gergiev eine - tatsächlich für den Klang recht positive - Aufstellung ganz hinten auf dem riesigen Podium der Philharmonie wählen, sind Solisten noch weiter vom Publikum entfernt, als sie es ohnehin stets sind. Vom Charme Jansens kann man dennoch etwas erahnen, ihr Spiel verschwindet manchmal im Orchester, aber das ist teilweise in Alban Bergs Violinkonzert auch so kalkuliert. Der Anfang ist mystisch, und es ist spannend zu erleben, wie Jansen sich aus dem Spiel mit den leeren Saiten ihrer Geige einen emotionalen Ton selbst erschafft. In der Folge erlebt man Bergs Violinkonzert als ungemein leicht zu hören, voller Ländler- und Volksweisenpoesie. Doch dringlich wird es erst im zweiten Satz, nach dem Zitat des Bach-Chorals. Da entsteht einige herrliche Minuten lang ein Sog, betörend und hymnisch. Die brillante und lichte Routine von Esa-Pekka Salonen und der Solistin wandelt sich zu einem zwingenden Klagegesang, aus dem Jansens Geige mit einem einzelnen Ton entflieht.

Salonen sprang für ZubinMehta ein und bewältigt seine Aufgabe souverän, vielleicht zu souverän, zu schön. Alles ist klar, alles ist perfekt. Und dann kommt nach der Pause Bruckners siebte Symphonie.

Zehn Kontrabässe hat sich Salonen gewünscht, zehn hat er bekommen und sich gleich in alle Streicher verliebt. Das Gebrumm zu Beginn ist fabelhaft, ein Klangrausch, bis dann irgendwann alle Solobläser ihren Moment kriegen. Zeit dafür ist in dieser Symphonie ja genug. Salonen baut den permanenten Zerfall der Struktur und die Pracht mancher Idee schön nebeneinander, aber auch er kann bei aller Klarheit nicht verhindern, dass nicht jede Wiederholung interessant ist. Das geht bei dem Werk nicht, mag es auch als eine der populäreren Brucknerklangmassen gelten. In die Coda des Adagios mit seinen prächtigen Wagnertuben passt gefühlt das ganze "Rheingold", aber dieses wäre nicht so wohlig-sämig.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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