Kurzkritik:Innere Dramatik

Der Pianist Mikhail Pletnev im Prinzregententheater

Von Klaus P. Richter, München

Sein Ruhm als Klaviergenie und Dirigent eilt ihm zwar voraus. Aber als Mikhail Pletnev das Podium betrat, scheu und etwas griesgrämig, ahnte man noch nichts von den Klavierwundern, die einem bevorstanden. Es war ein reiner Rachmaninow-Abend, den Pletnev mit dem berühmten Prélude cis-Moll eröffnete. Fast ebenso berühmt ist Adornos vernichtendes Urteil darüber in seinem gesellschaftskritischen Delegitimierungsversuch musikgeschichtlicher Kapitel von Strawinsky bis Richard Strauss und Sibelius.

Pletnev legitimierte das Stück glänzend. Er traf nicht nur den Ton ernster Chopin'scher Klangnoblesse, sondern entfaltete seine innere Dramatik im turbulenten Mittelteil. Es war dieses Sensorium für die verborgene Dramatik, die in aller spätromantischen Klangkultur die Gestaltung bestimmte: die Préludes aus opus 3, 10, 23 und 32. Dem Klangzauber kam das Instrument zugute, denn Pletnev hatte nicht den Steinway gewählt, sondern einen Flügel des japanischen Klavierbauers Shigeru-Kawai mit wunderbaren Bässen und einem Belcanto-Diskant. Aber das schien nur wie ein Vorspiel zum Hauptwerk des Abends, der Klaviersonate Nr. 1 d-Moll.

Die siebte Étude aus opus 39, surreal und spröde, war eine perfekte Überleitung zu der riesigen, eine Dreiviertelstunde langen Sonate mit ihrem "teutonischen" Ambiente: komponiert in Dresden und Programmmusik nach Goethes "Faust". Der trat vehement im ersten Satz auf, Gretchen im nachdenklichen zweiten und Mephisto im komplexen dritten. Wieder gelang Pletnev dort eine Dramaturgie, die rhetorische Epik und zauberische Poesie schließlich in virtuose Raserei überführte, zu der in der linken Hand das "Dies irae" erklang. Drei virtuose Zugaben, darunter ein eigenes, launiges Potpourri, denn Mikhail Pletnev komponiert auch.

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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